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Politik: Auf dem Altar der Grünen (Leitartikel)

Östlich, weiblich, aus protestantischem Elternhaus - kann so eine Frau eine Partei führen? Ja und Nein.

Östlich, weiblich, aus protestantischem Elternhaus - kann so eine Frau eine Partei führen? Ja und Nein. Angela Merkel soll es, und Gunda Röstel kann es nicht mehr. Die Schwarze kommt, die Grüne geht. Und vielleicht kann die, die kommt, von der, die geht, etwas lernen.

Gunda Röstel, eine der beiden Vorstandssprecherinnen der Grünen, will auf dem Parteitag im Mai nicht wieder antreten. Ihre offizielle Begründung lautet, sie wolle damit der in Angriff genommenen Strukturreform dienen. Das tut sie auch. Bis heute dürfen grüne Vorsitzende, so will es die Basis, kein Parlamentsmandat oder gar den Vorsitz einer Fraktion innehaben. Sie dürfen, mit anderen Worten, nichts an den Füßen haben. Doch nun wissen Röstels Parteifreunde: Wenn die Trennung von Amt und Mandat nicht aufgehoben wird, dann müssen sie sich demnächst wieder nach einer Vorsitzenden umsehen, die bereit ist, für fast kein Gehalt, mit beinah keinem Apparat zu arbeiten und dabei noch Gefahr zu laufen, durch ein paar Bemerkungen des wahren Vorsitzenden Fischer beiläufig demontiert zu werden.

Gunda Röstel hat durch ihren Verzicht gesagt: mit mir nicht mehr. Wenn Ihr die Satzung nicht ändert, wenn Ihr nicht bereit seid, würdige Arbeitsbedingungen zu schaffen, dann sucht Euch eine andere. Das ist die selbstbewusste Seite ihres Rückzugs. Doch es gibt noch eine andere, eine beinahe tragische Seite daran. Sie dokumentiert die Kosten selbstgerechter Basisdemokratie. Und das zum 25. Mal.

Die ach so menschlichen Grünen haben in den zwanzig Jahren ihrer Existenz sage und schreibe 25 Bundesvorsitzende verschlissen. Das macht pro Jahr 1,25 Abgänge und Neuwahlen. Die Basis hat gewollt, die wirklich Mächtigen haben zugelassen, dass auch Röstel in eine Position gesetzt wurde, in der sie keine Chance hatte, richtig gut zu werden.

Und sie war auch nicht richtig gut. Die junge Frau aus Flöha hat eine mediale Ausstrahlung, aber sie ist als Bundespolitikerin oft überfordert. Jedenfalls ist sie es noch. Wäre also der grüne Leninismus von unten nicht gar so gefräßig, hätte Gunda Röstel eine gute Landespolitikerin werden können, anstatt sich an der Spitze aufzureiben. Man kann also nicht sagen, dass die grüne Partei einen besonders nachhaltigen Umgang mit ihrem Personal pflegt. Es geht bei der Parteireform eben nicht nur um Effizienz, sondern auch um Menschenfreundlichkeit.

Der Kern ihres Scheiterns liegt darin, dass Röstel nie in der Lage war, ihre Persönlichkeit und ihre ostdeutsche Herkunft für die Politik bereichernd einzusetzen. Statt dessen formulierte sie bloß unbeholfen-bürokratisch; beflissen erlernte sie das Westgrüne als eine Fremdsprache. Aus Furcht wurde sie zu laut und aus Vorsicht langweilig. So konnte, ja musste ausgerechnet die junge Ostdeutsche noch lebloser und glatter wirken als die ältesten Westgrünen.

Die Grünen halten sich in diesen Tagen im Angesicht von schwarzen Konten und rotem Filz ihre alten Parteistrukturen mit der Trennung von Amt und Mandat, Gewicht und Gesicht, wieder sehr zugute. Zu Unrecht, wie Röstels Fall zeigt. Die Partei presst außerdem ihren Abgeordneten und Ministern Spenden ab, indem sie bei säumigen Zahlern die jeweiligen Landesverbände bestraft.

Die Kosten dieser Basis-Bigotterie sind wirklich hoch. Sie können die Partei bald ganz um ihren Einfluss bringen. Dann wird die Basis sich wundern. Und die Mächtigen von heute, die Männer um Fischer, werden sich vielleicht ärgern, nicht genügend Mut und Konzentration vor und auf Parteitagen bewiesen zu haben.

Wie viele Röstels werden die Grünen noch brauchen?

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