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Kann Sigmar Gabriel die Parteibasis von einer großen Koalition überzeugen?

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Auf dem Weg zur großen Koalition: Wie Sigmar Gabriel die Parteibasis überzeugen will

Vielen in der SPD gilt eine große Koalition als Verrat. Vor Sigmar Gabriel steht jetzt eine schwierige Aufgabe, wenn er am Sonntag den Parteikonvent überzeugen muss.

Von Hans Monath

Einen Dämpfer hat die SPD-Führung fest eingepreist, wenn sie am Sonntag vor den 200 Delegierten des Parteikonvents um Zustimmung für die Koalitionsverhandlungen wirbt: Das Ergebnis von 96 Prozent, mit der das Gremium wenige Tage nach der Bundestagswahl den Weg für die Sondierung mit der Union freimachte, wird sie diesmal weit verfehlen. Denn viele Genossen halten eine Neuauflage der großen Koalition schlicht für Verrat und jeden für einen Verräter an der eigenen Partei, der sie vorbereitet.

Um so mehr wird es auch auf das psychologische Geschick von Parteichef Sigmar Gabriel ankommen. Der 54-Jährige steht vor der Aufgabe, sein eigenes Vertrauen in die Fairness seiner Verhandlungspartner so gut zu begründen, dass er seine traumatisierte Partei überzeugt. Denn Zusagen oder gar schriftliche Abmachungen mit den Verhandlern der Union kann er nicht vorlegen.

Im Vorfeld des Konvents vermittelte Gabriel am Freitag eine Doppelbotschaft: Einerseits bekräftigte er, dass die SPD ohne flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in West wie Ost nicht koalitionswillig sei. Zugleich wies er aber darauf hin, seine Partei habe wegen ihres schlechten Abschneidens bei der Wahl gar „kein Mandat bekommen“, um ihre Ziele durchzusetzen. „Das macht die Lage, ich will das gar nicht verheimlichen, auch außerordentlich schwierig“, fügte er hinzu. Das las sich wie eine Warnung vor überzogenen Erwartungen an eine Partei, die noch immer darauf pocht, dass die siegreiche Union einem „Politikwechsel“ in wichtigen Fragen zustimmt.

Er werde vor Sonntag die mit der Union strittigen Punkte nicht ausführlich kommentieren, kündigte Gabriel in einer Telefonschaltkonferenz der Parteiführung mit den Landesvorsitzenden am Donnerstagabend an. In der nicht öffentlichen Sitzung des Konvents, so erwarten viele Sozialdemokraten, soll er aber konkreter werden. Etliche Landesverbände wollten im Vorfeld Koalitionsverhandlungen ausdrücklich nicht billigen, sondern machten ihr Votum vom Bericht der Verhandlungskommission abhängig.

Anders als Gabriel nannte Parteivize Hannelore Kraft mit Arbeitsmarkt, Bildung, Rente, Pflege, Infrastruktur, Kommunalfinanzen und Integration gleich mehrere Politikfelder, auf denen sie Bewegung der Union für möglich hält. Mit dem Abstand zur Wahl wächst in der SPD die Einsicht, dass Abstriche vom eigenen Programm unumgänglich sind. Die Hoffnung ist nun, dass die Union wenigstens in einigen Punkten „SPD pur“ akzeptiert. „Es geht um Mindestlohn und Rente, aber auch darum, dass wir in gesellschaftspolitischen Fragen einen echten Politikwechsel absehen können“, sagt etwa der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß: „Das betrifft insbesondere die doppelte Staatsbürgerschaft und die Abschaffung des Optionszwangs.“

An der Debatte über Ansprüche der SPD auf bestimmte Ministerien beteiligte sich am Freitag zwar kein namhafter Sozialdemokrat. Trotzdem nähren die Spekulationen das Misstrauen der Basis, wonach es manchem um Ämter und nicht um die Sache geht. Gabriel sah sich genötigt, das Feuer schnell auszutreten. Weder mit der Union noch SPD-intern sei „bislang über Kabinettsposten auch nur gesprochen worden“, versicherte er.

Vor den 250 Delegierten, unter denen die Bundespolitiker gegenüber den Vertretern der Landes- und Kommunalpolitik sowie den Ehrenamtlichen in der Minderheit sind, dürfte Gabriel zwei Argumente herausstreichen. Zum einen soll der Parteivorstand eine Beschlussempfehlung mit Prüfsteinen für Koalitionsverhandlungen erarbeiten. Gabriels Botschaft dazu: Von unseren Zielen sind wichtige noch immer durchsetzbar. Zum anderen dürfte er eine enge Rückkoppelung während der Verhandlungen versprechen und darauf verweisen, dass der Prozess hinein in die große Koalition weiter offen ist, weil zuletzt die Mitglieder über den Koalitionsvertrag entscheiden. Dass die Union dies genauso sieht, dürfte Gabriel eher helfen. „Die SPD-Basis“ , so der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach im WDR, „sitzt als unsichtbarer Dritter immer mit am Tisch.“

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