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Südafrika Mbeki Zuma

© dpa

Südafrika: Auf den Titelverteidiger setzt keiner mehr

Mbeki oder Zuma: Südafrikas Regierungspartei ANC wählt einen neuen Vorsitzenden. Doch im Hintergrund brodelt es. Grund ist ein Vorfall vor vielen Jahren.

Eine Boxweltmeisterschaft im Schwergewicht hätte kaum mehr Spannung erzeugt. Seit Wochen warten die Südafrikaner ungeduldig auf den Parteitag des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), auf dem der Kampf um den Parteivorsitz ausgetragen wird. Titelverteidiger Thabo Mbeki tritt gegen Herausforderer Jacob Zuma an.

Am Ende wollte kaum noch jemand auf Mbeki wetten. Nur vier von neun Provinzen des ANC haben sich mehrheitlich für ihn ausgesprochen, die anderen fünf sowie die Jugend- und die Frauenliga hingegen für Zuma. Von den 4075 Delegierten, so der aktuelle Stand, stehen über 60 Prozent im Zuma-Lager.

Doch noch ist nichts entschieden. Delegierte werden bedroht und bestochen, um ihr Stimmverhalten bei den geheimen Wahlen zu beeinflussen. Plötzlich macht auch ein bislang vertrauliches Dokument über die Untersuchung des Selbstmords von einer der Frauen Zumas – als Zulu praktiziert er die Vielehe – die Runde. Der Vorfall liegt einige Jahre zurück. Zeitungen wiederum zitieren Altpräsident Nelson Mandela, der bei der ersten Wahl Mbekis zum ANC-Präsidenten 1997 indirekt Kritik daran geübt hatte, dass es keinen Gegenkandidaten zu Mbeki gab. Ein Führer könne „die machtvolle Position nutzen, seine Gegner zu marginalisieren und sich selbst mit Ja-Sagern zu umgeben“, warnte er damals.

Genau dies wird Mbeki zum Vorwurf gemacht. Erst brachten seine Leute das Gerücht in Umlauf, dass drei ANC-Führer, die er aus staatlichen Funktionen drängte und die in die Wirtschaft gingen, gegen ihn putschen wollten. Dann feuerte er Vizepräsident Jacob Zuma, weil der unter Korruptionsverdacht steht. Das erste Verfahren gegen Zuma wurde indes nach langer Dauer wegen mangelnder Beweise eingestellt. Nun ist die Staatsanwaltschaft dabei, das Ganze wieder aufzurollen.

Zumas Ansehen bei seinen Anhängern hat dadurch nicht gelitten. Sie sehen hinter den neuen Ermittlungen den Versuch Mbekis, sich seines Rivalen zu entledigen. Auch viele, die Zuma eher skeptisch gegenüberstehen, wenden sich zunehmend von Mbeki ab. „Selbst wenn Zuma Präsident wird, ist das immer noch besser, als Mbeki zu behalten“, hieß es in einem Zeitungskommentar.

Südafrikas Präsident hat sich mit loyalen Leuten umgeben und schützt diese auch vor Protesten und möglichen Gerichtsprozessen – wie den Polizeichef oder die im Ausland wegen ihrer seltsamen Aids-Auffassungen belächelte Gesundheitsministerin. Kritiker hingegen werden gefeuert. Auch legt der Präsident fest, wer in den Provinzen Ministerpräsident wird, was die dortige ANC-Basis aufbringt. Seiner außerordentlich guten Wirtschaftspolitik stehen aber langfristige Versäumnisse wie in der Bildung und der Infrastruktur gegenüber. Der ANC sei von der Staatsmacht beiseitegedrängt worden, wird geklagt. Und der Gewerkschaftsdachverband Cosatu und die Kommunistische Partei, die mit dem ANC traditionell eine Allianz bilden, wurden nach eigenen Angaben kaum mehr von Mbeki konsultiert. Zudem beklagen sie, dass die Masse der Bevölkerung weiterhin arm ist und von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes nicht genügend profitiert. Daher setzen immer mehr Südafrikaner auf Jacob Zuma, von dem erwartet wird, dass er die Sozialausgaben steigert und vor allem zuhört, was das Volk zu sagen hat.

Ob es unter Zuma tatsächlich zu einem Kurswechsel käme, ist aber unklar. Denn den südafrikanischen und auch internationalen Geschäftsleuten hat er versprochen, dass er nicht viel ändern will.

Zuma ist ein Mann, der Massen begeistern kann. Das hat er Mbeki voraus und macht ihn so beliebt. Wenn er in diese Woche vom Parteitag in Polokwane zum Präsidenten des ANC gewählt wird, dann erhält er damit gleichzeitig das Ticket, bei den nächsten Wahlen 2009 auch Präsident Südafrikas zu werden. Denn dann läuft Mbekis Amtszeit in diesem Job nach zwei Wahlperioden definitiv ab.

Die Wahl eines neuen ANC-Präsidenten ist aber nur einer von vielen Programmpunkten des Parteitags. Interessant wird sein, welche politischen Richtlinien die Delegierten beschließen – sowohl für die innerparteiliche Arbeit als auch für die Politik als Regierungspartei. Außerdem wird die gesamte Führung neu gewählt, dazu zählen die sechs obersten Funktionen in der Partei sowie das Nationale Exekutivkomitee. Auch dort gibt es Gerangel zwischen den beiden Lagern von Zuma und Mbeki.

Damit die Stimmung im Konferenzsaal nicht zu sehr hochkocht, wurde kurz vor dem Parteitag festgelegt, dass keiner der Delegierten ein T-Shirt mit dem Bild eines Kandidaten oder diesen favorisierenden Losungen tragen darf.

Helmut Schneider[Johannesburg]

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