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Politik: Auf Volkskurs

Horst Köhler reist mit dem Diplomatischen Corps nach Bayern. Wenn dort gewählt wird, geht es indirekt auch um seine Zukunft

Erst steckte er im Stau fest, dann hob er ab ins All. Für Bundespräsident Horst Köhler begann die diesjährige Begegnungsreise für das Diplomatische Corps mit einem Wechselbad. Der lang vorbereitete Ausflug mit mehr als 150 Teilnehmern führte nach Bayern, in das Land, in dem sich auch Köhlers Präsidentenschicksal entscheiden könnte. Die Bayern wählen im September, und in diesem Jahr fürchtet die sonst vor Selbstbewusstsein strotzende CSU den Verlust der absoluten Mehrheit. Sollte das passieren, würde es eng in der Bundesversammlung, die dann im Mai Köhler für eine zweite Amtszeit wählen kann – oder auch nicht.

Die Botschafter wissen natürlich, dass sich Köhler seit neuestem im Wahlkampf mit der SPD-Kandidatin Gesine Schwan befindet. Von sich aus dieses Thema beim Präsidenten ansprechen würden sie aber in der Regel nicht. „Es ist unsere Aufgabe, alles genau zu beobachten“, sagt Kolumbiens Botschafterin entsprechend diplomatisch. „In Deutschland ist viel in Bewegung geraten in letzter Zeit.“ „Politik ist unberechenbar, und Politiker müssen unberechenbar sein, um zu überleben“, glaubt ihr kambodschanischer Kollege. „Hier ist es spannend, aber bei uns zu Hause ist es gerade noch spannender“, sagt der griechische Botschafter.

Die Stimmung im weniger staugeplagten Bayern ist heiter und mitfühlend. Besonders bewegen die Diplomaten ohnehin ihre nationalen Interessen. Dazu gehört offenbar ein Wettbewerb um Staatsbesuche aus Deutschland. „Wird der Präsident 2009 noch mal nach Mexiko kommen?“ Das möchte der mexikanische Botschafter im Laufe dieses Tages klären.

Köhler selbst sucht den Kontakt zur Bevölkerung – und zur Hochtechnologie. Eine Liveschaltung zu den Astronauten der Europäischen Raumstation ISS im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen ist erster Programmhöhepunkt. Köhler will wissen, woran die Astronauten arbeiten und wie sie die Erde von oben erleben. „Sehr klein“, sagt einer. Und: Man bekomme das Gefühl, sie „vor Zerstörung bewahren zu müssen“. Im weiteren Verlauf des Gesprächs wird die Frage aufgeworfen, ob führende Politiker zur Lösung von Konflikten deshalb nicht mal ins All geschickt werden sollten.

Zur Entschleunigung folgt ein Orgelkonzert im Kloster Andechs. Zukunft und Tradition hatte Köhler bei der Begrüßung im Flugzeug angekündigt. Beeindruckt zeigen sich die Diplomaten später auch von der innovativen Technologie des Autozulieferanten Webasto, die in starkem Kontrast steht zur barocken Pracht auf Schloß Schleißheim, in dem Ministerpräsident Günther Beckstein dem Bundespräsidenten und seinen Gästen später für die „besondere Ehre“ des Besuchs dankt.

Böllerschüsse und Blaskapelle haben schon in Andechs erste Kontrapunkte zur Zukunftsmusik gesetzt. Dort kommt es auch zu persönlichen Kontakten mit der bayerischen Bevölkerung. Die örtliche Bürgerinitiative gegen den Ausbau des Flughafens Oberpfaffenhofen hält Köhler ein Schild entgegen, das nicht gerade von diplomatischer Rücksichtnahme zeugt: „Herr Köhler kam auf einem Schwan und schaute nach der Landebahn.“ Später drängen sich Fahrradgruppen und Ausflügler, um ein gemeinsames Foto mit dem Präsidenten zu bekommen.

In einem kurzen Pressegespräch wiegelt Köhler, auf die Bayern-Wahl angesprochen, erst einmal ab: „Ich will den Diplomaten Deutschland im Original zeigen.“ Dann fügt er doch noch hinzu: „Die Leute sprechen mich an und sagen: ,Ich hoffe dass Sie noch mal fünf Jahre machen.’“

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