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Außenminister Sigmar Gabriel (SPD).

© dpa

Außenminister: Zwischen Ruhm und Blamage

Seit Macron eine Führungsrolle fordert, ist eine Antwort aus Berlin überfällig. Wenn sie nicht von der Kanzlerin kommt, ist der künftige Außenminister gefordert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Als Sigmar Gabriel am 27. Januar für einen absehbar kurzen Zeitraum von Frank-Walter Steinmeier das Amt des Außenministers übernahm, sagte er vor den Mitarbeitern des Hauses sinngemäß, er bemühe sich, die traditionsreiche Behörde nicht zu blamieren. Von solchen – freilich mehr verbalen als realen – Anflügen der Bescheidenheit wie bei Gabriel war Guido Westerwelle völlig frei, als er sich nach den Wahlen 2009 als neuer Hausherr präsentierte. Dabei kann tatsächlich kein Amtsinhaber grenzüberschreitend das Ansehen eines Ministeriums und einer ganzen Regierung so beschädigen wie der Außenminister. Und umgekehrt gilt, dass kaum jemand neben dem Regierungschef oder der Chefin den Ruf eines Landes mehr stärkt als ein erfolgreicher Außenpolitiker.

Erklärt das alleine, warum sowohl Grüne als auch die FDP gerne den Hausherrn – und ein Mann wird es wohl sein – am Werderschen Markt stellen würden? Angeblich ist der Außenminister doch durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, die „Gasp“, zu so etwas wie einem Grüßaugust geworden. Und tatsächlich überträgt seit 2009 der Vertrag von Lissabon mehr noch als sein Vorgänger, der Vertrag von Maastricht 1993, die Außen- und Sicherheitspolitik dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs. Die kommen zwei Mal im Jahr zusammen, um die Grundsätze dieser Außenpolitik zu diskutieren. Da lassen sie sich weder von der Europäischen Kommission noch von der Hohen Vertreterin für die „Gasp“, Federica Mogherini, reinreden. Dennoch, und da beginnen schon die Einschränkungen dieses sehr theoretischen Allmachtsanspruchs der demnächst nur noch 27 Regierungschefs, ist das Gesicht der Italienerin längst das der EU-Außenpolitik geworden.

Problematische Alleingänge

Tatsächlich sind die Regierungschefs zeitlich überhaupt nicht in der Lage, Außenpolitik praktisch zu gestalten und neue Wege zu finden. Weder können sie die internationalen Kontakte hinreichend pflegen, noch verfügen sie über ausreichende Detailkenntnis. Und da die Welt nicht nur aus der Europäischen Union besteht, sondern noch aus rund 170 weiteren Staaten, die ihre Außenpolitik der entsprechenden Fachministerin oder dem Fachminister übertragen, bleibt für individuelle Gestaltung sehr viel Raum.

Hinzu kommen die sehr speziellen außenpolitischen Schwerpunkte Deutschlands. Die Beziehungen etwa zu Israel wird keine deutsche Regierung der „Gasp“ unterordnen können. Die Kontakte nach Russland und in die USA werden immer eine Sonderrolle spielen. Der Verantwortung der stärksten Wirtschaftsmacht für Europa gerecht zu werden, ist eine Pflicht, die sich durch Attentismus genauso wenig lösen lässt wie mit markigen Worten. Und seit Emmanuel Macron deutsche Partnerschaft mit Frankreich in der Führungsrolle fordert, ist eine Antwort aus Berlin überfällig. Wenn sie von der Kanzlerin nicht kommt, muss der Außenminister erkunden, wo Gemeinsamkeiten sind. Im Verständnis darüber, was sich Deutschland zumuten kann und muss, liegen Grüne und FDP weit auseinander, von der CSU ganz zu schweigen.

Wie problematisch Alleingänge werden können, hat die Flüchtlingskrise im Sommer 2015 gezeigt. Der aus humanitären Gründen wohl zwingenden vorübergehenden Öffnung der Grenzen folgte eben nicht die schnelle Abstimmung mit den EU-Partnern. Unter dem Ergebnis leidet Deutschland noch heute. Die Isolierung ist nach den Wahlen in Österreich und Tschechien vermutlich noch schwerwiegender geworden, denn nun hat sich von Polen über Ungarn und die Slowakei sowie Tschechien bis hin zum Nachbarn Österreich ein Cordon rechts-orientierter Mehrheiten gebildet. Gerade dann aber braucht die neue Koalition in Berlin, braucht Deutschland, einen Außenminister, der auch für diese Länder gesprächsbereit und gesprächsfähig ist.

Ein guter Außenminister steigt auf der Beliebtheitsskala schnell nach ganz oben, zeigt die Erfahrung. Auch das macht den Posten so interessant. Aber ein gemütlicher Job ist das Auswärtige Amt nicht.

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