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Außenpolitik: Hilfe für Irak statt Truppen für Kabul

Ein US-Experte empfiehlt den Europäern, ihr Engagement zu verlagern. Der Irak brauche im Gegensatz zu Afghanistan nicht mehr Truppen, sondern den Aufbau staatlicher Strukturen, worin die Europäer besondere Erfahrung hätten.

Berlin -  Innerhalb von einer Woche haben der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier den Irak besucht. Damit haben die beiden großen europäischen Nationen, die den USA 2003 die Gefolgschaft im Irakkrieg verweigerten, ein deutliches Signal gesetzt. Sie wollen an die historisch guten Beziehungen zu Irak, einem interessanten Wirtschaftspartner, anknüpfen. Und sie signalisieren dem neuen US-Präsidenten Barack Obama, dass sie das Angebot einer neuen Kooperation annehmen und im Hinblick auf den Irak nicht länger in der Schmollecke stehen.

Doch Europa sollte dabei deutlich stärker vorpreschen, findet Daniel Serwer, der Vizedirektor für Friedens- und Stabilisierungsoperationen am „Friedensinstitut der Vereinigten Staaten“, das der US-Kongress finanziert. Irak biete eine „goldene Gelegenheit“ für einen Deal mit den Amerikanern: Mehr europäisches Engagement beim Aufbau staatlicher Strukturen im Irak als „Gegenangebot“ zu der amerikanischen Forderung nach Truppenverstärkung für Afghanistan, mit der sich Europa und insbesondere Deutschland schwertun. Diese These vertritt Serwer in einem von der Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegebenen Expertenbericht mit dem Titel „Was kann Europa in Irak tun“, die er Anfang der Woche in Berlin vorstellte.

Während Obama am Mittwoch entschied, 17 000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu senden, verstecken sich die Europäer und insbesondere Deutschland hinter Zahlenspielen, um eine substanzielle Aufstockung ihrer Truppen zu verhindern. „Es wäre ein Fehler für Europa, nicht mit einem Gegenvorschlag vorbereitet zu sein“, meint Serwer, der am Baker-Hamilton-Report mitgewirkt hat, welcher 2006 Vorschläge für eine neue Irakpolitik der USA machte. Der Irak brauche im Gegensatz zu Afghanistan nicht mehr Truppen, sondern den Aufbau staatlicher Strukturen, worin die Europäer besondere Erfahrung hätten, meint Serwer. Europa könnte beispielsweise 200 Experten in das irakische Innenministerium schicken, um den Aufbau einer nichtkonfessionellen, professionellen Verwaltung und Polizei zu unterstützen. Diese könnten die amerikanischen Experten, größtenteils US-Soldaten, ablösen. Außerdem sollten die Europäer die UN-Mission im Irak mit 300 Mann verstärken und sich um die Einbindung der Nachbarstaaten Iraks bemühen.

Vor dem Hintergrund, dass sich die US-Armee bis Ende 2011 graduell aus dem Irak zurückziehen soll, sei der Aufbau staatlicher Institutionen entscheidend, um einen Rückfall in Gewalt zu verhindern. Und damit sicherzustellen, dass im Irak Ressourcen frei werden, welche die USA in Afghanistan benötigen. Auch Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik unterstreicht bei der Diskussion um den Report, dass es im Eigeninteresse Europas ist, im Irak tätig zu werden. Allerdings fürchtet er nach den Erfahrungen im Gazakrieg, wo sich die europäischen Vermittler die Klinke in die Hand gaben, dass die EU erst ihre außenpolitischen Mechanismen reformieren müsse. Das letzte EU-Strategiepapier zu Irak stammt aus dem Jahr 2004.

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