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Politik: Autobombe tötet Kritiker Syriens

Libanesische Politiker beschuldigen die Regierung in Damaskus – die weist jeden Verdacht von sich

Eine Autobombe hat am Montag in Beirut den gegenüber Syrien kritischen Herausgeber einer führenden libanesischen Tageszeitung und drei weitere Menschen getötet. Der Chefredakteur von „An-Nahar“, Gibran Tueni, der seit dem Abzug Israels aus Südlibanon im Jahr 2000 die syrische Präsenz im Lande scharf kritisierte, starb während einer Fahrt im gepanzerten Wagen durch das christliche Viertel Mekallis. Die Autobombe war so stark, dass auch zehn Menschen verletzt wurden und ein Dutzend Autos in der Umgebung ausbrannte.

Der 48-jährige Tueni, der bei den Parlamentswahlen im Frühsommer einen für die griechisch-orthodoxen Christen reservierten Sitz gewann, hatte wie viele Syrienkritiker im August Libanon aus Sicherheitsgründen verlassen. Er soll erst vor wenigen Tagen heimgekehrt sein. Der Anschlag erfolgte einen Tag, bevor der UN-Sicherheitsrat den neuen Zwischenbericht einer Untersuchungskommission diskutiert, die den Mord am libanesischen Ex-Präsidenten Rafik Hariri aufklären soll. In dem Bericht kommt die Kommission erneut zu dem Ergebnis, dass Syrien in den Mord verwickelt ist.

Unter der Führung von Tueni hatte „An-Nahar“, die führende Tageszeitung Libanons, sich an die Spitze der syrien- kritischen Berichterstattung gesetzt. Als noch kaum jemand wagte, Unbehagen über die syrische Truppenpräsenz im Lande zu äußern, schrieb Tueni einen offenen Brief an Baschar al Assad, der die Nachfolge seines Vaters antreten sollte, und forderte das Ende der Einmischung Syriens. Im Zuge der „Zedern-Revolution“ nach dem Mord an Hariri ging der Journalist in die Politik und gewann auf der Liste von Hariris „Zukunfts“-Bewegung einen Parlamentssitz.

Der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora forderte eine internationale Untersuchung aller politischen Morde der letzten Monate. „Hier geht es nicht mehr nur um Attentate auf bestimmte Personen, sondern darum, dass ein ganzes Volk und seine Zukunft bedroht werden“, sagte Siniora. Seit dem Mord an Hariri im Februar hat es ein Dutzend Anschlagsversuche in Libanon gegeben. Im Juni starb der bekannte Kolumnist von „An-Nahar“, Samir Kassir durch eine Autobombe. Obwohl niemand weiß, wer hinter dem jüngsten Anschlag steht, werden erste Anschuldigungen gegen Syrien laut. In einer Erklärung der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana dagegen heißt es, der Zeitpunkt der Tat deute darauf hin, dass Syrien diskreditiert werden solle. Die Ministerin für im Ausland lebende Syrer, Buthaina Schaaban, wies zurück, dass Syrien in die Tat verwickelt sein könnte.

Damaskus hat im Frühjahr Truppen und Geheimdienst aus Libanon zurückgezogen. Aber es wird davon ausgegangen, dass Damaskus noch über erheblichen Einfluss im Land verfügt. Allerdings ist auch offensichtlich, dass viele libanesische Politiker Syrien für alle Übel im eigenen Land verantwortlich machen wollen, das noch immer nicht damit begonnen hat, den 1990 beendeten Bürgerkrieg aufzuarbeiten. So wurde die Aushebung eines Massengrabes in der Nähe ehemaliger syrischer Stellungen in den vergangenen Tagen als gezielte politische Aktion eingestuft, um von den auch von Libanesen begangenen Gräueln abzulenken.

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