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Rech

© dpa

Baden-Württemberg: Winnenden, Wendlingen und Wattestäbchen

Der Stuttgarter Innenminister Rech (CDU) sieht sich mit immer neuen Fragen zu seiner Informationspolitik konfrontiert - und ist politisch verwundbar.

Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) hat auch ein gesundheitliches Problem: Seine linke Achillessehne schmerzt seit geraumer Zeit so, dass er einen geplanten Halbmarathon absagen musste. Schwerer aber wiegt, dass sich in den vergangenen drei Wochen durch immer neue Informationspannen gezeigt hat, dass der sportliche Christdemokrat mit dem Sunnyboy-Image politisch verwundbar ist.

„Rech ist dabei, sämtliches Vertrauen, das ein Innenminister benötigt, zu verspielen“, konstatiert der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Claus Schmiedel, mit gespielt staatsmännischer Pose. Natürlich genießt die Opposition, dass ihr über die Presse gerade der dritte kritische Vorgang serviert wurde. Der Tathergang kurz vor dem Ende des Amoklaufs am 11. März in Winnenden und Wendlingen war ein anderer als bisher bekannt: Der Schütze – dessen angebliche Tatankündigung von Rech kurz nach der Bluttat öffentlich gemacht worden war, sich dann aber als plumpe Fälschung herausstellte – konnte, von einem Polizisten angeschossen, nochmals entkommen und zwei weitere Menschen umbringen, ehe er sich selbst die letzte Kugel gab.

Von einer Polizeipanne will in Stuttgart bisher niemand sprechen, auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft nicht. Dass der Polizist sich wie sein Kollege hinter das Fahrzeug rettete, als der getroffene Amokläufer plötzlich wieder zur schon abgelegten Pistole griff und auf ihn zielte, scheint nachvollziehbar.

Bemerkenswert ist jedoch, warum dieser Vorgang weder im Kabinett, wo Rech am 24. März zum Thema Amoklauf vortrug, noch im Innenausschuss thematisiert wurde. „Wir haben alle nichts gewusst“, sagt ein verwunderter Ministerkollege. Rech schon. Am 23. März erhielt er einen entsprechenden Vermerk. Doch auch im Ausschuss am 1. April machte Rech hinter verschlossenen Türen, wie sich der Vorsitzende Hans Georg Junginger (SPD) empört, „nicht einmal in Nebensätzen“ eine Andeutung über einen anderen Tatablauf.

In der vergangenen Woche musste sich der Innenminister dort in anderer Sache erklären: Es ging um das ebenfalls durch die Medien enthüllte DNA-Debakel im Zusammenhang mit dem Mord an einer Heilbronner Polizistin. Denn schon im April 2008, ein Jahr nach dem Mord, kamen Zweifel an der These einer angeblichen Phantommörderin auf, die aber nie kommuniziert wurden. Ende März wurde dann eine unbescholtene Wattestäbchen-Verpackerin als DNA-Spurenlegerin entlarvt. Und wie in diesem Fall versteckt sich der in Bedrängnis geratene Rech jetzt wieder hinter nicht abgeschlossenen staatsanwaltlichen Ermittlungen, redet von einem „dynamischen Prozess“.

Dass der „Minister auf Bewährung“, wie Schmiedel Rech schon letzte Woche qualifiziert hat, über die Dynamik der Ereignisse stürzen könnte, will man in Stuttgart noch nicht glauben. Am Dienstag versicherte Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) vorsorglich: „Heribert Rech hat mein uneingeschränktes Vertrauen.“ Doch bis in die eigene Partei hinein sieht man, dass der stets moderat auftretende 58-jährige gelernte Rechtsanwalt, den Erwin Teufel 2004 zum Innenminister gemacht hatte, offenkundig ein Autoritätsproblem hat. „Der Heri ist zu weich“, sagen auch Duzfreunde über den Vorsitzenden der starken nordbadischen CDU. Bisher kam er damit auch immer gut durch. Rech ist nicht nur in der CDU-Fraktion beliebt. „Er ist eben auf Liebenswürdigkeit angelegt“, stellt man auch in der Opposition fest. Der Polizeiapparat aber, dem der seit 19 Jahren im Innenministerium amtierende Landespolizeipräsident Erwin Hetger ostentativ den Rücken freihält, „braucht mehr Führung.“ Auch in der beamteten Spitze, räumt ein Insider ein, fehle „ein harter Hund, der nicht in der Suppe mitschwimmt“.

Den Polizeigewerkschaften ist Rech an sich recht. Schließlich wurden unter ihm Führungspositionen wie im Landeskriminalamt oder in der Polizeidirektion Stuttgart nicht mehr wie früher mit Juristen, sondern mit gelernten Beamten aus der Polizeilaufbahn besetzt. Allerdings erwartet der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lautensack, vom Minister, „dass er auch mal wieder zur Ruhe beiträgt“.

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