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Bayern-FDP: Partei der Unbekannten

Dass die Öffentlichkeit sie erst kennenlernen muss, stört Bayerns FDP nicht. Erst feiert man sich mal.

Auch wenn sie ab kommender Woche mit auf der Regierungsbank in München sitzen: Noch sind die bayerischen Freien Demokraten weitgehend eine Partei der vielen Unbekannten. Wie er sich denn fühlen werde, so ganz ohne Zahnarztstuhl, wollte ein Fernsehreporter vom künftigen FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil wissen. „Ich meide den Zahnarztstuhl“, antwortet Zeil – er ist von Beruf Wirtschaftsjurist – trocken. Nebenan ruft ein Fotograf: „Herr Heubach, hier bitte.“ Gemeint ist Dr. Wolfgang Heubisch, der künftige Wissenschaftsminister in Bayern. Heubisch ist der gelernte Zahnarzt.

Solche Anlaufschwierigkeiten können die fast schon überschwängliche Stimmung auf dem Sonderparteitag der Liberalen im Ingolstädter Stadttheater aber nicht trüben: Mit großer Mehrheit nehmen die rund 400 Delegierten das Koalitionspapier mit der CSU an. Nach dem 28. September, dem Tag der Landtagswahl, sei dies „der schönste Tag in meinem politischen Leben“, jubelt etwa die FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger während ihrer Rede in Ingolstadt. Schließlich ist es ganze 46 Jahre her, dass zum letzten Mal ein eingeschriebener Liberaler an einem bayerischen Kabinettstisch sitzen dufte.

Zudem haben die Liberalen während der vergangenen CSU-Chaoswochen noch einmal mächtig an Selbstvertrauen zugelegt: Man sei „kein Betriebsunfall der bayerischen Geschichte“, stellt Zeil, im Wahlkampf FDP-Spitzenkandidat, klar. Die Weichen seien mit dem ausgehandelten Koalitionsvertrag gestellt, damit sich für die FDP „dieses Ergebnis permanent wiederholt“. Inhaltlich habe man die „liberale Handschrift“ durchsetzen können. Und zwar nicht, weil die CSU – wie sie nun gerne glauben machen wolle – ohnehin Korrekturen etwa in der Sicherheitspolitik habe anbringen wollen. Sondern weil die CSU für ihre falsche Politik vom Wähler abgestraft worden sei. „Wir haben den künftigen Partner auf den richtigen Weg zurückgeführt“, erklärte Zeil selbstbewusst. „Denn er hatte sich erheblich verirrt.“

Als „ernstzunehmende politische Kraft in Bayern“ gewinne die FDP aber auch an bundespolitischem Einfluss, betonte Leutheusser-Schnarrenberger. Ob beim Thema Gesundheitsfonds oder im Fall der Erbschaftssteuer: „Gegen uns wird es eine aus Berlin diktierte Politik nicht geben.“ Zudem sei die neue schwarz-gelbe Koalition in Bayern auch „ein Signal“ in Richtung der Bundestagswahlen im Herbst des nächsten Jahres: „Das Bündnis zeigt, dass Union und FDP vernünftige Kompromisse finden können“, erklärte die Landesvorsitzende am Rande des Parteitags.

Inhaltlich würden Bayerns Freidemokraten dafür sorgen, „dass sich Leistung wieder lohnt und nicht bestraft wird“, sagte Zeil. In seinem neuen Amt als Wirtschaftsminister werde er vor allem den Mittelstand des Freistaats entlasten: „Wir brauchen weniger Gängelung und Bürokratismus.“ In der Schulpolitik sei es während der Verhandlungen zumindest gelungen „Verkrustungen im Denken“ der christsozialen Bildungspolitiker zu lösen.

Mit der Freigabe des Ladenschlusses, den sich ihre Partei gewünscht habe, habe man sich dagegen nicht durchsetzen können, gab Leutheusser-Schnarrenberger zu. Und macht klar, dass man in diesem Punkt Geduld hat und auf den Faktor Zeit setzen wird: „Wir überlassen das mal der Dynamik der Entwicklung.“ Wolfgang Heubisch, der designierte Wissenschaftsminister, betonte am Rande des Parteitags, er werde im neuen Amt die Autonomie der Universitäten stärken. So sollen „zwei starke Hochschulen“ unter den bayerischen Universitäten ausgewählt werden, die künftig völlig frei über die Berufung ihrer Professoren entscheiden dürfen sollen. Auch die Kunst, die ebenfalls zum neuen FDP-Ressort gehören wird, liege ihm sehr am Herzen, betonte der Zahnarzt: „Ich stamme schließlich selbst aus einer Künstlerfamilie.“

Henry Stern[Ingolstadt]

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