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Politik: Berlins Politiker wollen den Bund in die Pflicht nehmen

Gesamtstaat soll mehr für die Hauptstadt tun. Thierse: Die Richter in Karlsruhe haben keine Ahnung

Berlin - Berliner Bundestagsabgeordnete fordern parteiübergreifend, dass der Bund nach dem Karlsruher Haushaltsurteil mehr Verantwortung für die Hauptstadt übernehmen muss. Dazu gehöre der Umzug der restlichen Bundesministerien aus Bonn nach Berlin, die Übernahme der Staatsoper und polizeilicher Aufgaben im Regierungsviertel und eine Sonderförderung der ostdeutschen Universitäten. Vorgeschlagen wurde auch, ein Hauptstadtfinanzierungsgesetz zu beschließen. Derweil sind sich SPD und Linkspartei in Berlin einig, dass der Sparkurs für die Stadt fortgesetzt werden soll. Trotzdem kann es nach internen Schätzungen der Senatsfinanzverwaltung kaum gelingen, vor 2011 einen verfassungsgemäßen Landeshaushalt vorzulegen. Bis dahin wird die Neuverschuldung die Investitionen jedes Jahr übersteigen.

Bund und Länder wollen auf den Abbau übermäßiger Schulden in den Bundesländern hinwirken. Bei der Ministerpräsidententagung in Bad Pyrmont lehnten die Länder am Freitag Überlegungen in der Bundesregierung für ein entsprechendes Bundesgesetz aber ab. „Den Hinweis aus Berlin für ein Schuldengesetz halten wir 16 Bundesländer schlicht für verfassungswidrig“, sagte Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU). Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verwies auf die Autonomie der Länder.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse kritisierte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem Sanierungsbeihilfen des Bundes für Berlin am Donnerstag abgelehnt wurden. In einem Beitrag für den Tagesspiegel schreibt Thierse, es habe selten ein Urteil gegeben, das so wenig zu vernünftigem Tun ermutige. Die Richter wüssten offensichtlich nichts über die Folgen der Teilung für Berlin. Der Ratschlag, die finanzielle Lage der Stadt durch Personalreduzierungen, Einsparungen und Vermögensverkäufe zu verbessern, bedeute in letzter Konsequenz, dass es Berlin irgendwann einmal schlechter ginge als allen anderen Ländern.

Der SPD-Finanzpolitiker und frühere Hamburger Erste Bürgermeister Ortwin Runde dagegen lobte das Urteil. „Wäre Berlin in Karlsruhe erfolgreich gewesen, hätte das fürchterliche Folgen für die gesamte Finanzverfassung in Deutschland gehabt“, sagte er dem Tagesspiegel. Es hätte laut Runde zu weiteren Klagen armer Länder und zu Gegenklagen starker Länder geführt, die den Finanzausgleich ins Wanken gebracht hätten. Das noch bis 2019 geltende System aus Länderfinanzausgleich und Solidarpakt II sei aber „das Optimum, ja sogar das Maximum für die schwächeren Länder“. Dies wäre bei einem Berliner Erfolg gefährdet gewesen.

Die CDU-Bildungspolitikerin Katherina Reiche hält das Urteil mit Blick auf die Wissenschaft in der Hauptstadt für falsch. „Alle in Deutschland sind sich einig, dass Investitionen in die Köpfe enorm wichtig sind. Die große Zukunftschance Berlins ist es doch gerade, sich als Wissenschaftsstandort weiterzuentwickeln.“ Das Gericht hatte auf überdurchschnittliche Ausgaben Berlins im Bildungsbereich hingewiesen. Auch der SPD-Bildungspolitiker Jörg Tauss hält den Karlsruher Spruch „bezüglich der Wissenschaft für befremdlich“.

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