zum Hauptinhalt

Politik: Berlusconis Rache

Der Linksintellektuelle Sofri wird nicht begnadigt – eine Schlappe für den Präsidenten

Italiens Mitte-Rechts-Regierung hat ein Meisterstück der Parlamentsarbeit geboten, im Hintergrund perfekt orchestriert – allerdings voller Gift und Intrige. Gegen alle Versprechungen in der Öffentlichkeit und allen Vereinbarungen mit der Opposition zuwider hat sie ein Gesetz niederstimmen lassen, mit dem Italiens führender Linksintellektueller, der 62-jährige Adriano Sofri, begnadigt worden wäre. Für den Mord an einem Polizisten im Jahr 1972 sitzt Sofri im Gefängnis von Pisa.

Sofri hat die Tat stets bestritten, sich aber – letztinstanzlich verurteilt – einem Rechtsstaat gebeugt, den er früher, als Anführer der außerparlamentarischen, linksradikalen Bewegung „Lotta Continua", für nicht vorhanden angesehen oder massiv bekämpft hat.

Dass Sofri indes ein mustergültiger, vorbildlicher und vordenkender Demokrat (geworden) ist, daran zweifelt in Italien niemand. Das belegen auch seine zahlreichen Artikel und Kolumnen, mit denen sich Blätter aller politischer Couleur schmücken.

Und während Sofri jede Form der Hafterleichterung für sich ablehnt, verlangen unzählige Freunde seine Begnadigung – bis hinauf zu Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi. Ciampi forderte das Parlament förmlich auf, ihm per Gesetz die Begnadigung Sofris zu ermöglichen. Dabei ging er bis an den Rand seiner Kompetenzen.

Mit einem neuen Gesetz, von Grünen eingebracht und in einem Parlamentsausschuss einvernehmlich fertig gestellt, sollten Begnadigungen ausschließlich in die Zuständigkeit des Staatspräsidenten fallen. Regierungschef Silvio Berlusconi hatte seine Unterstützung sogar schriftlich zugesichert. Bislang muss auch der Justizminister zustimmen. Der derzeitige Amtsinhaber Roberto Castelli gehört der rechtsradikalen Lega Nord an.

Bei der Abstimmung im Plenum fehlte allerdings nicht nur Berlusconi, es passierte vielmehr auch, was niemand für einen „Unfall“ hält: Auf überraschenden Antrag der postfaschistischen Alleanza Nazionale stimmte die Regierungsmehrheit den entscheidenden Passus aus der Gesetzesnovelle hinaus. Damit war das ganze Projekt gestorben. Unter einem Aufschrei des Entsetzens verließ die Opposition den Saal.

Berlusconi hat vor den Europa- und Kommunalwahlen die Rechten in seiner Koalition gewähren lassen: Lega Nord und Alleanza Nazionale. Das Manöver war aber auch eine gezielte Rache am Staatspräsidenten. Ciampi hatte unlängst ein Gesetz zurückgewiesen, mit dem Berlusconi seine – rechtlich in Teilen zweifelhafte – Herrschaft über Italiens Fernsehsender ausbauen und die immensen Einnahmen seines Privatkonzerns auf Dauer sichern wollte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false