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Politik: Beten und sparen

Nah an Volkes Stimme, für ein christliches Menschenbild – die CSU verspricht das „Kontrastprogramm“ zu Rot-Grün

Von Mirko Weber, München

Das Bild sprach für sich: Als der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) sich beim 67. CSU-Parteitag im Münchner Kongresszentrum während seiner Gastrede ziemlich emphatisch darin verlor, das römische Recht, die griechische Antike und die Aufklärung als Grundlage europäischer Gemeinschaft zu preisen, schaute Edmund Stoiber nicht gerade unauffällig auf die Uhr. Bei aller Gemeinsamkeit auf der Südschiene: Diese Beschwörung der Welt von gestern ging ihm doch zu weit.

Von anderer Warte aus betrachtet konnten einige Delegierte letzten Endes aber Teufel durchaus mehr abgewinnen als den Äußerungen des Generalsekretärs Thomas Goppel, der schon am Tag zuvor nicht müde geworden war, die überstrapazierten Vergleiche zwischen Deutschland heute und dem Ende der Weimarer Republik fahrlässig zu ergänzen. Rezession bleibe Rezession, hatte Goppel gesagt, damals wie heute, und hohe Arbeitslosigkeit bleibe hohe Arbeitslosigkeit, 1932 wie 70 Jahre später. Anfang der letzten Woche hatte Goppel bereits im oberbayerischen Aschheim in kleiner Parteirunde einige befremdliche Äußerungen getan, denen nach der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und sein Partner allabendlich versuchten, „der Biologie ein Schnippchen zu schlagen“. In Aschheim war auch der Satz gefallen, dass in den im Jahr 2002 gewonnenen Wahlkreisen von der SPD 1933 „eine andere Farbe gewählt“ worden sei. Gemeint war Braun. Goppel beharrte in München darauf, er habe von seinen Einschätzungen nichts zurückzunehmen, man müsse sich nur die Wahlkarte anzuschauen. „Die ist schon wieder ganz ähnlich wie 1933.“ Es war dann auch kein Wunder, dass die Polemik am Samstag nahtlos fortgesetzt wurde, als der CSU-Vorsitzende und ehemalige Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, auftrat. Die rot-grüne Regierung habe sich, so Stoiber, „an die Macht gelogen“ mittels eines in der „Geschichte der Bundesrepublik einzigartigen Wahlbetrugs“. Die Union halte an der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fest, sagte Stoiber. Schröder habe die „politische Mitte verloren“. Unter einem Kanzler Stoiber, so Bayerns Ministerpräsident, müsste der Bundestag heute nicht über Steuererhöhungen reden, sondern würde die Abschaffung des Scheinselbstständigengesetzes, die Neuverfassung des Betriebsverfassungsgesetzes und eine dreiteilige Arbeitsmarktreform diskutieren. Die Union stehe für konstruktive Opposition. Die sei nötig, denn Schröder richte mit seiner Politik „das Land zugrunde“. Der dilettantischen Praxis der Bundesregierung stehe das bayerische „Kontrastprogramm“ gegenüber. Bayern spare und gestalte, so Stoiber, nehme bis 2006 keine neuen Schulden auf und missbrauche nicht das Vertrauen der Wähler. Die Bundesregierung werde bei den Wahlen in Hessen und Niedersachsen am 2. Februar die Quittung erhalten.

Grundlage einer Neuorientierung der Partei nach der verlorenen Bundestagswahl, bei der die CSU in Bayern auf gut 58 Prozent der Stimmen gekommen war, soll das als Leitantrag verabschiedete Papier „Zukunftsland Bayern“ bieten, in dem vage von mehr Eigenverantwortung und Engagement der Bürger die Rede ist. Zudem kündigte die Partei eine „Offensive“ zur „Rückbesinnung auf ein christliches Menschenbild“ an. Der europapolitische Leitantrag mit der Ablehnung eines türkischen EU-Beitritts wurde von den Delegierten einstimmig verabschiedet. Eine Mehrheit der Bevölkerung sei gegen eine Aufnahme der Türkei, sagte Stoiber. „Wir sind die Partei, die die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung filtert.“

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