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Atomausstieg: Biblis-Streit spaltet die Koalition

Der Streit um eine Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Biblis A entwickelt sich zu einer Belastungsprobe der großen Koalition in Sachen Kernenergie. Die Stromkonzerne wollen gegen das Umweltministerium klagen.

Berlin - Das von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) angekündigte Nein zu einer Laufzeitverlängerung sei "absolut falsch, wie ich überhaupt den Ausstieg aus der Atomenergie für falsch halte", kritisierte CSU-Chef Edmund Stoiber im ZDF. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck erteilte dagegen Plänen für eine stärkere Nutzung der Atomenergie eine klare Absage. "Wir werden uns nicht diesem bequemen Weg - zumindest scheint er es jetzt zu sein - der Atomenergie hingeben», sagte er in Bonn. Wegen des Streits um Biblis droht dem Bundesumweltministerium unterdessen eine Reihe von Klagen.

Stoiber warf Gabriel vor, er lasse offen, woher künftig die Energie kommen solle, die derzeit mit Hilfe der Atomkraft ohne Kohlendioxid-Emissionen erzeugt werde. Das habe Gabriel "bisher überhaupt nicht gesagt". Gabriel rief dagegen die Union auf, sie solle damit aufhören, "sich selber vorzugaukeln, dass es im Bundestag eine Mehrheit für ihre Atomposition gibt." Der Anteil der Atomkraft am weltweiten Endenergieverbrauch liege unter drei Prozent. "Kein renommierter Klimaforscher misst der Atomkraft eine nennenswerte Bedeutung zur Rettung des Klimas bei", sagte der Umweltminister in der "Bild am Sonntag".

Huber: "SPD muss endlich aus ihrer ideologischen Verstockung heraus"

Die Laufzeitübertragungen sollen nun auch die Koalitionsgremien beschäftigen. "Wie alle streitigen Fragen muss auch diese in den Koalitionsausschuss", sagte Kauder der "Bild am Sonntag": "Ich werde das beantragen." Die SPD warf der Union koalitionsschädigendes Verhalten vor. "Das ist verlogen bis zum Abwinken", sagte Fraktionsvize Ulrich Kelber. Intern habe die Union mehrmals eingeräumt, dass der Antrag auf Laufzeitverlängerung für Biblis A laut Atomgesetz abzulehnen sei. Merkel und der Union gehe es offenbar nur darum, den Energiekonzernen eine Klage gegen die Entscheidung zu erleichtern und den rot-grünen Atomkonsens auszuhebeln.

Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) forderte in der "Passauer Neuen Presse", das Thema Atomenergie "völlig neu" zu diskutieren: "Die SPD muss endlich aus ihrer ideologischen Verstockung herauskommen und sich den neuen Herausforderungen des Klimaschutzes stellen." Verhärtete Fronten machte die Zeitung auch im Streit um die Suche nach einem Atom-Endlager aus. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprach sich gegen Gabriels Konzept aus, das neben dem niedersächsischen Gorleben auch eine Untersuchung anderer Standorte vorsieht. "Wer statt Gorleben gründlich evaluieren zu lassen eine ergebnisoffene Suche nach Endlagern neu startet, beabsichtigt nur eine weitere Verzögerung", sagte Glos der Zeitung.

Laut "Berliner Zeitung" prüft neben dem Versorger RWE auch der Stromkonzern Vattenfall den Gang vor Gericht, sollte Gabriels Ministerium die Laufzeitverlängerung für das AKW Brunsbüttel ablehnen. Gabriel hatte angekündigt, den RWE-Antrag ablehnen zu wollen, wonach Strommengen des stillgelegten Atommeilers Mülheim-Kärlich auf den Block A in Biblis übertragen werden sollen. RWE will dem Bericht zufolge nicht nur wegen Mülheim-Kärlich klagen: Den Rechtsweg wolle das Unternehmen auch gegen die Absicht des Umweltministeriums einschlagen, den Bescheid über eine hilfsweise beantragte Übertragung von Strommengen des jüngeren RWE-Kraftwerks Emsland auf Biblis von einer vergleichenden Sicherheitsanalyse für Emsland und Biblis A abhängig zu machen. RWE argumentiert demnach, das sei im Atomgesetz nicht vorgesehen. (tso/AFP)

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