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Cyberkriminalität: Die Herbsttagung des Bundeskriminalamtes beschäftigte sich am Dienstag schwerpunktmäßig mit dem Thema Internetkriminalität.

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Update

BKA warnt vor zunehmender Cyberkriminalität: Jörg Ziercke: "Bedrohung mit unvergleichbarer Dimension"

"Die direkten Kosten, die durch Cybercrime entstehen, sind größer als jene, die der Handel von Kokain, Heroin und Marihuana gemeinsam erzeugen", sagte Jörg Ziercke am Dienstag auf der BKA-Herbsttagung in Wiesbaden. Internetfirmen schätzen den Schaden auf drei Milliarden.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, hat vor einer Zunahme der Internetkriminalität gewarnt. "Das, was wir unter Cybercrime zusammenfassen, ist eine Bedrohung mit unvergleichbarer Dimension: Allein die direkten Kosten, die durch Cybercrime entstehen, sind größer als jene, die der Handel von Kokain, Heroin und Marihuana gemeinsam erzeugen", sagte Ziercke bei der BKA-Herbsttagung in Wiesbaden.

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) stieg die Zahl der Cyberkriminalfälle im Jahr 2012 auf 63.959, was einem Zuwachs von acht Prozent entspricht. Eine genaue Aussage zu monetären Schäden lasse sich mangels Daten kaum erstellen, weil die Sicherheitsbehörden von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Für Ziercke steht fest: "Durch die über das Internet zur Verfügung gestellte digitale Infrastruktur eröffnen sich neuartige Modi operandi mit enormen Schadensausmaß und -potenzialen." Er appellierte an Unternehmen, in dem Bereich zusammenzuarbeiten und Angriffe auch anzuzeigen.

Das Internet entgrenze Kriminalität und sei ungebremst entwicklungsoffen. "Je mehr Geräte und Schnittstellen wir nutzen, je stärker wir uns digital vernetzen, desto mehr nimmt die Verwundbarkeit der Systeme zu." Ziercke warnte davor, dass auch bestehende Ermittlungsmethoden in diesem Bereich nicht mehr richtig funktionierten. Die zunehmende Verschlüsselung und Kryptierung der Telefonie über das Internet führten dazu, dass Telekommunikationsinhalte mittels klassischer Telekommunikationsüberwachung nicht zu erschließen seien. Ziercke fordert eine Möglichkeit der Zuordnung von IP-Adressen zu real existierenden Personen und in dem Zusammenhang auch die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchungen in Fällen schwerster Kriminalität.

Die Angreifer sind den Verteidigern um Längen voraus

Um sicher zu sein, dass die eingesetzte Software nicht mehr könne als sie dürfe, setze das BKA darauf, diese Werkzeuge selbst zu entwickeln. Auch müssten die Ermittlungsbehörden besser in der Lage sein, Datenmengen auszuwerten. Dabei verwies Ziercke auf den Terroranschlag in Boston , als die Fahnder innerhalb von Stunden Millionen Bilder und mehr als 1000 Stunden Videomaterial von Augenzeugen bekamen und dieses Material mit Spezialisten ausgewertet wurde.

Auch im terroristischen Bereich spiele dass Netz eine wichtige Rolle. Es sei das Propagandamittel Nummer eins. Spionage habe, wie die aktuelle Debatte um den amerikanischen Geheimdienst NSA zeige, ebenfalls eine zentrale Bedeutung. Ziercke kündigte die Einrichtung eines Arbeitsbereichs Cyberspionage in der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz an.

Der Wissenschaftler Sandro Gaycken von der Freien Universität Gaycken zieht ein ernüchterndes Fazit für die Sicherheitsbehörden. Die Offensive, also die Angreifer vor allem in China und Russland, sind den Verteidigern vor allem in Deutschland um Längen voraus. Vor allem auf Seiten der Spionage- und Cyberabwehr fehle es an Kreativität, an strategischen Überlegungen, an Personal, an Know-How, Strafverfolgungsmöglichkeiten gebe es auch nicht. Die Angreifer agierten dagegen schneller, kreativer, professioneller und das noch nichtmal mit großem Personaleinsatz. Zwanzig Leute reichten laut Gaycken um eine Hochsicherheitsinfrastruktur anzugreifen. Wie unsichtbar die Aktionen im Cyberbereich abliefen, verdeutliche die bekannt gewordene Zahl von NSA-Operationen im Jahr 2011: 231 und kaum eine sei bekannt geworden. Er plädiert für eine andere Priorisierung statt Kleinkriminelle und organisierte Kriminalität ins Visier zu nehmen sollte vermehrt das Augenmerk auf Spionage, Cyberwar und Hochsicherheitsstrukturen gerichtet werden. Außerdem plädiert er für eine Hochsicherheits-IT-Struktur. Dass diese umständlich und sperrig wäre, sei ein Argument von gestern. "Es ist eine ökonomische, freiheitliche und vor allem effektive Lösung."

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