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Politik: Bleibt Text für EU-Verfassungwie er ist?

Parlament will nur Debatte mit Bürgern intensivieren

Brüssel - Die europäische Verfassung ist seit dem Nein bei den Referenden in den Niederlanden und Frankreich tot, zumindest in der vorliegenden Textfassung könne man den Verfassungsvertrag den Wählern nicht ein zweites Mal vorlegen, erklärte Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac in seiner Neujahrsansprache. Also alles noch einmal von vorne? Zurück zur Ausgangslage? Ein neuer Verfassungskonvent? Wieder endlose Debatten, neue Kämpfe um eine faire Balance der Interessen? „Nein“, sagen die Verfassungsexperten des Europaparlaments, die im federführenden institutionellen Ausschuss in der vergangenen Woche den Kurs des EU-Parlaments vorgezeichnet haben: keine Neuverhandlungen.

Stattdessen will man am mühsam ausgehandelten Text des Verfassungsvertrags festhalten und mit den skeptischen Bürgern eine breite Debatte über Sinn und die Ziele der Europäischen Union führen. „Wenn wir jetzt die Büchse der Pandora wieder öffnen, dann wäre am Ende das Ergebnis der Verhandlungen schlechter, als das, was wir jetzt haben“, warnt der SPD-Verfassungsexperte Jo Leinen. Er ist sich deshalb sicher, dass diese Woche die klare Mehrheit des Straßburger Parlaments dem Parlamentsbericht des Liberalen Andrew Duff und des Grünen Johannes Voggenhuber zustimmen wird, die ohne Wenn und Aber am vorliegenden Verfassungsvertrag festhalten. Immerhin haben diesem Text nicht nur die 25 Regierungen geschlossen zugestimmt. Von 13 EU-Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – ist er inzwischen auch schon ratifiziert worden.

Den Grund für das Nein bei den Volksbefragungen in Frankreich und den Niederlanden müsse man „weniger im Text als im Kontext der Verfassung“ suchen, sagt der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen: Furcht vor der Globalisierung der Wirtschaft; Kritik an der Rolle, die die EU dabei spielt; Verlustängste angesichts eines immer mehr in Frage gestellten Sozialsystems; Unbehagen an der raschen Erweiterung der EU sowie Ungewissheit über die Ziele und Grenzen der EU.

Das von Merkel vorgeschlagene Zusatzprotokoll, das die Grundlagen des europäischen Sozialsystems bekräftigen könnte, hält der SPD-Politiker für durchaus sinnvoll. Es könnte Ängste zerstreuen und den Kritikern in Frankreich entgegenkommen, die in Brüssel zu viele „Neoliberale“ am Werk sehen. Das europäische Sozialprotokoll könnte wie die Verfassung in allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden, ohne dass man den Verfassungstext aufbrechen müsste. Schwieriger als in Frankreich ist die Lage in den Niederlanden. „Dort sind die Ängste diffuser, allgemeiner und widersprüchlicher“, meint Jo Leinen.Vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich und den Parlamentswahlen in den Niederlanden könne man ohnehin nichts tun. „Danach brauchen wir aber ein neues Mandat der Bevölkerung,“ sagt der SPD-Europapolitiker. Man dürfe nicht nur über einen zweiten Anlauf zur Verfassung nachdenken, sondern müsse in allen EU-Mitgliedstaaten eine öffentliche Debatte über die politischen Schlüsselfragen führen. Im ersten Halbjahr 2007 unter deutscher EU-Präsidentschaft könnten Nägel mit Köpfen gemacht werden. Dann müssen die Entscheidungen fallen, wie es mit der europäischen Verfassung weiter gehen soll.

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