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Bodo Ramelow.

© Christof Stache/AFP

Update

Analyse zur Wahl in Thüringen: Bodo Ramelow, der Polarisierungsgewinner

In Thüringen wiederholt sich, was in Sachsen und Brandenburg zu sehen war: Hohe Mobilisierung wegen der AfD hilft der Partei des Regierungschefs. Eine Analyse.

Landtagswahlen sind immer auch Personalplebiszite über die regierenden Ministerpräsidenten. Sind sie sehr populär, können sie ihre Partei mit nach oben ziehen. Erst recht dann, wenn keine der Oppositionsparteien eine wirklich überzeugende Führungsfigur aufbieten kann, der die Wähler zutrauen, die Regierungsführung übernehmen zu können.

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Das hat zuletzt Anfang September in Sachsen und Brandenburg dazu geführt, dass die amtierenden Ministerpräsidenten – Michael Kretschmer in Dresden und Dietmar Woidke in Potsdam - mit ihren passablen Zustimmungswerten von mehr als 50 Prozent ihre Parteien auf den ersten Platz hievten, wenn auch nicht gerade mit glänzenden Ergebnissen.

Kretschmers CDU landete am Ende bei 32,1 Prozent, Woidkes SPD kam auf 26,2 Prozent. Dass die Wahlbeteiligung deutlich anzog, hat beiden Amtsinhabern genutzt – denn dem Mobilisierungserfolg der AfD unter Unzufriedenen und Nichtwählern stand eine höhere Beteiligung von Wählern gegenüber, die einen Durchmarsch der AfD auf den ersten Platz verhindern wollten. So kam es in Sachsen und Brandenburg zu der Polarisierung zwischen den Ministerpräsidenten und ihren Parteien und der AfD.

Wahlbeteiligung deutlich höher

Bei der Landtagwahl in Thüringen hat sich das nun am Sonntag wiederholt. Die Wahlbeteiligung zog, wie in den beiden anderen Ost-Ländern, massiv an – von knapp 53 auf etwa 66 Prozent. Bodo Ramelow hatte Werte, die ungefähr bei denen von Kretschmer und Woidke lagen. Im Gegensatz zu seinen Amtskollegen hatte er immerhin einen Herausforderer von Format: Mike Mohring ist seit Jahren als Oppositionsführer im Thüringer Landtag ein Politiker, von dem man gelegentlich auch schon mal bundesweit Notiz nahm.

Ohne eine AfD hätte es ein klassisches Links-Rechts-Duell zweier anerkannter Kandidaten gegeben, mit Chancen beiderseits, die eigene Partei auf den ersten Platz zu führen. Wobei Ramelow mit seinem Amtsbonus und 73 Prozent Zustimmung klar vor Mohring lag, den laut Forschungsgruppe Wahlen 32 Prozent der Befragten als Regierungschef bevorzugten. Vorteil für Ramelow also auch in dieser Konstellation. Den "Titelverteidiger" von der Linken fanden selbst drei Viertel der Anhänger von CDU und FDP ganz gut, im rot-rot-grünen Lager fast alle.

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Aber an diesem Wahlsonntag ging es eben um kein Kandidatenduell, sondern um die andere Polarisierung – eben jene gegen die AfD, in der dem amtierenden Ministerpräsidenten die Rolle der Gegenfigur zufiel. Wähler, die auf Stabilität setzten, stärkten den Amtsinhaber, um so dafür zu sorgen, dass es zu einer einigermaßen stabilen Koalition kommen kann - im Rahmen des Möglichen in einer stärker ausdifferenzierten Parteienlandschaft. Das Patt, das sich andeutete, und damit die Möglichkeit einer schwierigen Regierungsbildung, könnte zudem als Wahlanreiz gewirkt haben.

Mohring und die CDU im Hintertreffen

Mohring und seine Christdemokraten gerieten in dieser Konstellation zwischen die Fronten und schnitten weitaus schlechter ab, als sie selbst erhofft hatten. Die Mobilisierung ging an der Union vorbei. Zumal der CDU-Spitzenkandidat zwar mit einer Bewertung von 0,9 (auf der Skala von plus bis minus fünf) bei allen Befragten passable abschnitt, aber eben hinter Ramelow (1,6 Punkte) und sogar dem SPD-Spitzenmann Wolfgang Tiefensee (1,3) lag. Zwar maß man der Union wie immer die größte Wirtschaftskompetenz zu, aber auch in Thüringen hat der lange Aufschwung für verbreitete Zufriedenheit gesorgt.

Die CDU, das kam hinzu, lag in keiner der letzten Umfragen vor Ramelows Linkspartei. Mohring hatte keine greifbare Machtperspektive, während Ramelow darauf bauen konnte, dass seine Partei in den Umfragen nicht schlechter abschnitt als bei der Wahl 2014. Das genügt in den neuen Verhältnissen eines Sechsparteiensystems schon, um Eindruck zu machen.

Linke punktet mit Ost-Bonus - und bei Älteren

Das Hauptthema war Schule und Bildung - (wobei keines der von den Wählern in der Politbarometer-Befragung genannten Themen den Wahlkampf wirklich geprägt hat). Und da hatte die Linke die Nase vorn bei der Kompetenzzuschreibung. Wie auch beim Thema soziale Gerechtigkeit - Ramelows Truppe hat die SPD hier praktisch ersetzt. Ihren Ost-Bonus hat die Linke zudem immer noch - 40 Prozent messen der Partei die größte Kompetenz zu, wenn es um Sorgen und Nöte der Ostdeutschen geht. In dem Zusammenhang lässt sich auch verstehen, warum die Linken bei den Wählern über 60 Jahren etwa 40 Prozent hinter sich bringen konnten, ein Schlüssel zum Erfolg.

AfD stark bei Jungen und mittleren Jahrgängen

Dass die AfD auf den zweiten Platz schoss, verdankt sie nicht den Älteren - sie landet da, weil sie in allen Altersgruppen unter 60 stärkste Partei geworden ist. Und dort vor allem bei Männern gut ankommt, das hat sich in Thüringen wieder bestätigt.

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Vollends in den Hintergrund gedrängt wurden in dieser Konstellation die SPD, die Grünen und die FDP. Die Sozialdemokraten, die in Thüringen schon vor 20 Jahren hinter die Linken (damals noch PDS) gerutscht waren, brachen nochmals ein. Es ist ein Zufall: Aber in den drei Freistaaten – neben Thüringen also Bayern und Sachsen – ist die SPD jetzt nur noch einstellig. Und während sie in Bayern Wähler an die Grünen verlor, gingen nun manche SPD-Anhänger wohl zur Linken.

Die Grünen, in Thüringen noch nie besonders stark, blieben blass wie eh und je. Das Land ist, wie zum Beispiel auch Mecklenburg-Vorpommern oder Rheinland-Pfalz, nicht urban genug für bessere Grünen-Ergebnisse. Und die FDP steckte in der Bredouille, dass eine CDU-geführte Koalition als wenig möglich erschien und eine Beteiligung als vierte Partnerin für Rot-Rot-Grün nicht allen im freidemokratischen Publikum verlockend vorkam.

Die Koalitionsbildung wird schwierig werden. Eine Minderheitsregierung lehnen laut Forschungsgruppe zwei Drittel der Wähler ab. Dass Mohring ein Bündnis mit der AfD ausschloss, halten die meisten Befragten für richtig - aber 59 Prozent sagen, er hätte eine Koalition mit der Linken nicht zurückweisen sollen.

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