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Politik: Bomben gegen den Aufschwung

Die PKK will dem Tourismus schaden – 100 Millionen Dollar an Investitionen wurden schon storniert

Kein Ort an den türkischen Küsten ist mehr sicher – so soll offenbar die Botschaft des Anschlages von Kusadasi lauten. Mindestens fünf Menschen starben am Samstag bei einem Bombenanschlag in einem Kleinbus in dem Ferienort. Nach den bisherigen Informationen der türkischen Behörden hatte eine junge Frau sich selbst und den Wagen in die Luft gesprengt. Der erste Verdacht fällt dabei auf die kurdischen Rebellen von der PKK. Wenn sich dies bestätigen sollte, stünde die Türkei vor einer ganz neuen und sehr gefährlichen Phase im Konflikt mit den militanten Kurden. Denn in den Anschlägen der PKK in letzter Zeit ist eine klare Eskalationsstrategie zu erkennen.

Bei dem neuen Anschlag zündeten die Täter die Bombe am Vormittag, als der weiße Bus auf dem Weg zum Meer am Atatürk-Denkmal im Herzen von Kusadasi vorbeifuhr. Im April hatten die „Freiheitsfalken Kurdistans“ (TAK), eine Unterorganisation der PKK, ebenfalls am Atatürk-Denkmal in Kusadasi eine Bombe gelegt, bei deren Entschärfung ein Polizist ums Leben kam.

Ziel der Anschläge der TAK in den Touristenregionen ist es, Urlauber in Panik zu versetzen und so der türkischen Fremdenvekehrsindustrie zu schaden, einer der wichtigsten Branchen der türkischen Volkswirtschaft. Bisher konzentrieren sich die Anschläge der Kurden auf die mittlere Ägäis – erst letzte Woche ging eine Bombe in Cesme in die Luft. Das könnte eine Warnung der PKK sein: An der Ägäis machen vor allem Türken Urlaub; unter den vergleichsweise wenigen ausländischen Urlaubern sind die Briten in der Mehrzahl. In Kusadasi seien nur ganz wenige deutsche Urlauber zu Gast, hieß es am Samstag bei Diplomaten.

Eine große Stornierungswelle ausländischer Urlauber ist bei Bomben in Kusadasi deshalb nicht zu erwarten – noch nicht. Die Hauptmasse der ausländischen Türkei-Urlauber, darunter die Deutschen, macht an der südlichen Ägäis bei Bodrum und an der Südküste bei Antalya Urlaub. Wenn die PKK-Bomben sich jetzt von Cesme über Kusadasi Richtung Süden bewegen sollten, wäre das für die Türkei und die Urlauber eine sehr gefährliche Entwicklung. Zudem stellt der mögliche Einsatz eines Selbstmordattentäters in Kusadasi eine neue Dimension des Terrors dar: Der letzte PKK-Anschlag dieser Art liegt mehr als ein halbes Jahrzehnt zurück.

Die PKK hatte sich nach der Festnahme ihres Chefs Abdullah Öcalan 1999 aus der Türkei in den Norden Iraks zurückgezogen und eine Waffenruhe ausgerufen. Im vergangenen Sommer beendeten die Rebellen diesen Waffenstillstand und begannen wieder mit Anschlägen und Angriffen in der Türkei. Nach Erkenntnissen der türkischen Sicherheitsbehörden hatte die PKK ihre Kämpfer in der Ruhephase der letzten Jahre im Schutz ihrer Lager in Nordirak unter anderem in der Benutzung von Fernzündern bei Bombenanschlägen ausgebildet. Seit dem Frühjahr hat die PKK im vorwiegend kurdisch besiedelten Südosten der Türkei bereits mehrere ferngezündete Bomben explodieren lassen. Seit dem Sommer vergangenen Jahres sind bereits mehr als 100 Menschen bei Anschlägen und Gefechten ums Leben gekommen.

Die Rückkehr der PKK zur Gewalt wird nur von wenigen Kurden in der Türkei unterstützt. Die Menschen des im Krieg zwischen der PKK und der türkischen Armee von 1984 bis 1999 stark zerstörten Südostens hofften in den vergangenen Jahren auf einen Wiederaufbau und einen Wirtschaftsaufschwung ihrer Region. Diese Erholung ist jetzt gefährdet; mehr als 100 Millionen Dollar an in- und ausländischen Investitionen wurden wegen der Kämpfe inzwischen bereits storniert.

Von der türkischen Regierung verlangt die PKK eine Generalamnestie und die Freilassung ihres Chefs Abdullah Öcalan. Ankara lehnt alle Forderungen ab und dürfte unter dem Druck von Bomben erst recht nicht zu Zugeständnissen zu bewegen sein. Kurdische Intellektuelle forderten die PKK bereits mehrfach auf, den bewaffneten Kampf aufzugeben. Ohne Erfolg, wie sich am Samstag in Kusadasi zeigte.

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