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Politik: Botschaft für Brüssel

Der Besuch beginnt in Europas Hauptstadt – Amerika erkennt damit die EU als Partner an

Karl Buck kann sich am kommenden Dienstag einen gemütlichen Tag zu Hause machen – dank George W. Bush. Der Politikwissenschaftler aus Tübingen, der normalerweise hinter der Granitfassade des EU-Ministerrats am Schreibtisch sitzt, wurde zusammen mit rund 20 000 anderen EU-Beamten aus Sicherheitsgründen für einen Tag beurlaubt. Wenn der am meisten gefährdete Staatschef dieser Welt, der US-Präsident, der Europäischen Union seinen ersten offiziellen Besuch abstattet, dann müssen die Brüsseler Zentralen von Kommission und Ministerrat für dieses historische Ereignis leergeräumt werden.

Schon am Sonntagabend wird ein Teil der europäischen Hauptstadt der Sicherheitsstufe eins unterworfen werden: George W. Bush, begleitet von rund 700 Mitarbeitern, tritt in Brüssel seine Europareise an. Am Montag werden er und seine Frau Laura zunächst vom belgischen König Albert und der Königin Paola empfangen. Anschließend wird der US-Präsident beim belgischen Premier Guy Verhofstadt den obligaten Höflichkeitsbesuch abstatten und vor einem kleinen Kreis geladener Gäste seine mit Spannung erwartete Grundsatzrede zu den transatlantischen Beziehungen halten.

Weitere entscheidende Programmpunkte von Bushs Europareise sind am Dienstag vorgesehen: am Vormittag der Gipfel mit den 26 Staats- und Regierungschefs der Nato und am späten Nachmittag das USA-EU-Treffen in etwas anderer Besetzung. „Die Bush-Visite ist ein hoch symbolisches Ereignis“, meint ein hoher EU-Diplomat und zitiert zustimmend einen Washingtoner US-Kollegen: „Der Besuch selbst ist die Botschaft.“

Tatsächlich hat es Bush bisher vorgezogen, mit den Europäern auf bilateraler Ebene zu sprechen: von Regierung zu Regierung. In Brüssel wuchs spätestens seit dem Ausbruch des Irakkriegs und der daraus entstehenden transatlantischen Spaltung der Verdacht, dass Bush und seine konservative Umgebung die Einigung des alten Kontinents mit zunehmendem Misstrauen beobachteten. Die Europäische Union wurde mit ihrer „weichen Methode“, mit Diplomatie und politischem Dialog an die internationalen Probleme heranzugehen, nicht nur zum Gegenmodell der „harten Methode“ Bushs, sondern auf den Weltmärkten auch immer mehr zum Konkurrenten – vom Weizenexport bis zum Airbus. Durch seinen demonstrativen Besuch zeigt Bush, dass er in seiner zweiten Amtszeit die Europäische Union als Institution, weltpolitischen Partner und Gegenüber anerkennt.

Keiner der Staats- und Regierungschefs von Nato und EU hat deshalb auch Neigung, das aufgehellte Klima in Brüssel wieder zu trüben und mit dem US-Präsidenten über viele der alten Konfliktthemen zu reden: die Klimapolitik, den Internationalen Strafgerichtshof oder das Waffenembargo gegen China. Allerdings kündigte Bush in seiner wöchentlichen Hörfunkansprache an, dass er von den europäischen Partnern einen Abbau der Handelshemmnisse für Landwirtschaftsprodukte einfordern wolle.

Eine vertiefte politische Debatte ist am Dienstag allerdings nicht möglich – aus Zeitgründen. Denn für das Gipfeltreffen der 25 EU-Regierungschefs, Kommissionspräsident Barroso und dem EU-Chefdiplomaten Javier Solana mit dem US-Präsidenten sind gerade mal 90 Minuten angesetzt. Da aber jeder einmal reden will, bleiben rund drei Minuten für einen Redebeitrag.

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