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Politik: Britisches Referendum mehr als fraglich

Eine Volksabstimmung zur EU-Verfassung im ohnehin europakritischen Großbritannien wird immer unwahrscheinlicher. Darin waren sich die britischen Zeitungen am Donnerstag nach dem Nein der Niederländer einig. (02.06.2005, 12:52 Uhr)

London - «EU-Verfassung tot und begraben» überschrieb stellvertretend selbst der linksliberale «Guardian» seinen Kommentar. Die Regierung von Premierminister Tony Blair übt sich noch in britischer Zurückhaltung, doch wird der Rückzug vom für 2006 versprochenen Referendum offensichtlich schon vorbereitet.

Bereits nach dem «Non» in Frankreich hatte Blair die Abstimmung seines Wahlvolkes in Frage gestellt. Dieses würde nach allen Umfragen ebenfalls mit klarer Mehrheit die vorliegende europäische Verfassung verwerfen. Allerdings will der Premierminister auch nicht persönlich als derjenige dastehen, der im Alleingang mit einem abgesagten Referendum den Ratifizierungsprozess abbricht und damit zum direkten Totengräber der EU-Verfassung wird, die er selbst mit ausgetüftelt hat.

«Lassen Sie es mich klar sagen, es ist nicht an einem einzelnen Land, diese Verfassung für tot zu erklären», sagte Europaminister Douglas Alexander. Aber natürlich könne die Regierung in London «nun nicht so tun, als ob sich nichts geändert habe» und die Bedeutung der zwei Volksabstimmungen herunterzuspielen, sagte er vieldeutig. Auch Außenminister Jack Straw sagte, Großbritannien werde das überwältigende Nein der Nachbarn vom Kontinent respektieren - was viel Spielraum für Spekulationen lässt.

So will Straw nun am kommenden Montag im Unterhaus Stellung beziehen und den Abgeordneten das weitere Vorgehen der Regierung erläutern. Nach den übereinstimmenden Angaben mehrerer Zeitungen könnte es gut drauf herauslaufen, dass die Volksabstimmung im Vereinigten Königreich nicht direkt abgesagt, aber zunächst auf Eis gelegt wird. Im Juni wolle Blair seine Amtskollegen beim Gipfeltreffen in Brüssel überreden, neu über die Verfassung und den Ratifizierungsprozess nachzudenken. Ausgeschlossen sei dabei nicht, das ganze Projekt letztendlich fallen zu lassen, womit ein britisches Referendum obsolet würde.

Stattdessen strebt der Premierminister, ab Juli amtierender EU- Ratspräsident, in Brüssel einen tief greifenden Richtungswechsel an, damit Europa den Herausforderungen der Globalisierung trotzen kann. Allgemein wird erwartet, dass sich Blair dort deutlich für grundlegende Reformen der EU-Wirtschaft einsetzt, als weiter die Reform der EU-Institutionen voranzutreiben. Damit stellt sich der wirtschaftsliberale Brite direkt gegen den französischen Präsidenten Jaques Chirac, der seinen Landsleuten nach dem verlorenen Referendum versprochen hatte, er werde keine Wirtschaftsreformen nach angelsächsischem Vorbild akzeptieren.

Zuhause aber will sich die konservative Opposition im Unterhaus nicht damit zufrieden geben, sang- und klanglos auf ein EU-Referendum verzichten zu müssen. Zwar hätten die Franzosen die Verfassung zum Tode verurteilt und die Niederländer den tödlichen Schlag jetzt ausgeteilt, sagte Liam Fox, außenpolitischer Sprecher der Konservativen. Aber seine Partei bestehe drauf, dass das «britische Volks in einem Referendum seine Stimme rechtmäßig erheben» dürfe. Doch geht es den Konservativen dabei weniger um die EU als darum, den Premierminister innenpolitisch zu piesacken. (Von Jörg Berendsmeier, dpa)

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