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Sahra Wagenknecht

© AFP/JOHN MACDOUGALL

BSW-Gründungsparteitag in Berlin : Wagenknecht und die Waffen auf Moskau

Das Wagenknecht-Bündnis polemisiert auf seinem ersten Parteitag gegen Waffen für die Ukraine und die Ampel. Die Gründerin spricht davon, mit deutschen Waffen könnte Moskau angegriffen werden.

| Update:

Der spannendste Moment ereignete sich vermutlich am Vorabend des ersten großen Parteitags. Da nämlich erlaubte sich Klaus Ernst, Bundestagsabgeordneter und Vertrauter Sahra Wagenknechts, einen kleinen Scherz.

In der internen Chatgruppe der engsten Parteiführung postete er: Aus Bayern kämen zwei Änderungsanträge, einer davon für eine parteiinterne Frauenquote, und dazu eine Gegenkandidatur. Die Aufregung sei groß gewesen, erzählt er bestens aufgelegt im Berliner Kosmos, freudig erstaunt, dass sein Streich für bare Münze genommen wurde.

Mehr als ein Spaß war es aber nicht, und das Bündnis Sahra Wagenknecht bringt den Parteitag dann tatsächlich in sehr großer Geschlossenheit über die Bühne, bei den Themen wie beim Personal.

In ihrer Rede polemisiert die Parteigründerin in Sachen Ukraine. Sie spricht über Friedrich Merz als denkbaren Kanzler und sagt, der wolle Waffen liefern, „damit Selenskyj demnächst mit deutschen Waffen sogar Moskau angreifen kann“.

„Ihr habt sie nicht mehr alle!“

Oskar Lafontaine zum Thema Gendern

Damit setzt sie den Ton. Und auch ihr Ehemann Oskar Lafontaine, der die Abschlussrede hält, langt rhetorisch hin, etwa an die Adresse von Leuten, für die Gendern ein linkes Anliegen ist: „Ihr habt sie nicht mehr alle!“

Doch es geht ihm auch um die Weltenlage, und er formuliert eine Gleichsetzung: „So wie es angesichts unserer Geschichte niemals vertretbar wäre, wieder Waffen zu liefern, mit denen Juden ermordet werden können: Genauso verwerflich ist es, Waffen zu liefern, mit denen wieder Russen ermordet werden.“ Der Jubel des Publikums ist sicher.

Genau wie bei der Polemik der Co-Parteivorsitzenden Amira Mohamed Ali gegen den Politbetrieb: „Wir werden kein Teil der abgehobenen, selbstgerechten Politblase sein, in der man sich über alles Mögliche die Finger wund twittert“, ruft sie in den Saal.

Standing Ovations für Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine

Die Begeisterung im Publikum ist groß, aber nicht so groß wie für Namensgeberin Wagenknecht selbst. Als sie um Punkt 10 Uhr den Saal betritt, gemeinsam mit Lafontaine, erheben sich die 382 angereisten Mitglieder zum Applaus.

Die Parteitagsregie läuft ohne größere Probleme, notwendige Wahlen für verschiedene Parteiämter werden abgewickelt. Als stellvertretender Parteivorsitzender ist der Polit-Quereinsteiger Shervin Haghsheno schon bei der Gründung am 8. Januar gewählt worden.

Auf dem Parteitag kommen zwei weitere Vizes dazu: Friederike Benda, früher in Berlin bei der Linkspartei aktiv, sowie Amid Rabieh aus Nordrhein-Westfalen, ebenfalls ein früherer Linke-Politiker. In den erweiterten Parteivorstand lässt sich der Publizist Michael Lüders wählen, bekannt für seine Einschätzungen zu Nahost und der arabischen Welt. Und per Video-Gruß tritt der Pianist und Dirigent Justus Frantz auf.

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Ein weiteres Thema, das den Parteitag durchzieht, ist die Abgrenzung zur AfD. Die Botschaft: Mit der will das Wagenknecht-Bündnis nichts zu tun haben. Es müsse möglich sein, Waffenlieferungen abzuwählen, ohne sich damit das faschistoide Gedankengut der AfD einzuhandeln, sagt die Publizistin Daniela Dahn, die als Gastrednerin auftritt.

Generalsekretär Christian Leye wendet sich direkt an „die hart arbeitenden Menschen vor den Fernsehern: Die AfD schert sich einen feuchten Kehricht um Sie.“ Viele Rednerinnen und Redner beschwören die Gefahr, die von der AfD für die Demokratie ausgehe. Sich selbst sieht man in historischer Mission als einzige wählbare Alternative zur Ampelregierung. Man wolle ein kleines Stück Geschichte schreiben, sagt Leye.

BSW-Gastrednerin Dahn: Der Roten Armee gebührt ewiger Dank

Zu Beginn erheben sich die Mitglieder für eine Schweigeminute an diesem 27. Januar, also dem Tag des Holocaust-Gedenkens. Eine frühere stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Auschwitz ist gekommen und hält eine kurze Rede. Die Publizistin Dahn zeigt sich der Roten Armee „ewig zu Dank verpflichtet, wie immer sich die Weltlage inzwischen verändert hat“. Die EU sieht sie als „transatlantische Filiale der USA und der Nato“.

Von den Waffen für die Ukraine bis zu den Anliegen von Menschen, die sich um Renten und Mieten sorgen: Es werden jede Menge Bögen geschlagen. „Für nichts ist mehr Geld da, außer für den Krieg und Waffen, da sind Milliarden übrig“, sagt Generalsekretär Leye.

Es sei Ergebnis einer irren Debatte, dass die AfD als Friedenspartei gelte, sagt Wagenknecht. Sie ruft das BSW auf, zur „Partei des Miteinanders“ mit Toleranz und Respekt zu werden. Man wolle keine „Linke 2.0“ sein.

Dem politischen Gegner aber bringt sie kaum Respekt entgegen. Ricarda Lang sieht sie als „Sinnbild der Abgehobenheit“, für die Grünen sei die Welt in Ordnung, solange in Rüstungsverträgen gegendert werde. Friedrich Merz sei ein Ex-Lobbyist, der im Privatjet um die Welt düse. Alles Vernünftige sei in den vergangenen Jahren als rechts diffamiert worden. Die Ampel verdiene sich ihren Titel als dümmste Regierung Europas jeden Tag neu.

Am Abend kommen die Ergebnisse für die Wahl der Europaliste. Alle Vorgeschlagenen sind mit sehr hoher Zustimmung gewählt, auch Spitzenkandidat Fabio De Masi (98 Prozent). Eine Ausnahme bildet nur Co-Spitzenkandidat Thomas Geisel: Nur 72 Prozent der Mitglieder hat er von sich überzeugen können. An der Aufstellung ändert das aber nichts: Auch Geisel nimmt die Wahl an.

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