zum Hauptinhalt
Unterricht an einer Schule in Stuttgart.

© dpa/Bernd Weißbrod

Bundeselternsprecherin zur Schulpolitik: „Wir verfangen uns in Systemdebatten, müssten aber Bildungsdebatten führen“

Christiane Gotte, Sprecherin des Bundeselternrats, zum Streit um den Bildungsgipfel und die grundsätzlichen Fehler der Schulpolitik in Deutschland.

Frau Gotte, Ministerin Stark-Watzinger sagt, das deutsche Bildungssystem stecke in einer tiefen Krise. Wie ist die Lage aus Ihrer Sicht?
Das ist unbedingt richtig, und es ist gut, dass die Ministerin das so klar und deutlich angesprochen hat. Wir sind sehr froh, dass die Katze diesbezüglich aus dem Sack ist, denn wir weisen schon lange darauf hin. Bisher gab es aber immer wieder die Gegenrede, dass es so schlimm doch nicht sei.

Woran machen Sie diese Krise fest?
Wir verfangen uns in Systemdebatten, müssten aber Bildungsdebatten führen. Warum läuft es in Skandinavien so gut? Dort werden zuerst Bildungsziele definiert, und dann werden die Strukturen so geschaffen, dass die Ziele zu erreichen sind.

Die Kinder müssen mit anderen Kompetenzen ins Leben entlassen werden als noch vor fünfzig Jahren. Es geht nicht mehr darum, ihnen Wissen einzutrichtern. Dass diese Veränderung notwendig ist, wurde hier in Deutschland zwar schon erkannt, der Wandel findet aber in der Praxis kaum statt.

Im Koalitionsvertrag war ein echter Bildungsgipfel vereinbart, nun finden nur ein paar Diskussionsrunden statt. Ist das Ganze eine Showveranstaltung?
Wir hatten aufgrund der Vereinbarung im Koalitionsvertrag eine bestimmte Erwartung, nämlich einen richtigen Gipfel. Man tagt mehrere Tage, steigt tief in eine inhaltliche Bildungsdebatte ein, sucht gemeinsam nach Lösungen und geht dann mit einer Vereinbarung heraus.

Aber nun wird nur eine oberflächliche Plattform geschaffen, um sich auf zwei Panels kurz öffentlich auszutauschen. Dafür brauchen wir aber keinen Gipfel, denn das machen alle Beteiligten ohnehin ständig.

Können Sie nachvollziehen, dass viele Ministerinnen und Minister aus den Ländern ihre Teilnahme verweigern?
14 der 16 Kultusministerinnen und -minister kommen nicht, das macht den Gipfel fast schon obsolet. Die Länder sagen: Der Gipfel ist schlecht vorbereitet, deshalb kommen wir nicht. Und in der Tat ist das Format die absolute Sparvariante, wenn wir den Herausforderungen gerecht werden und ihnen adäquat begegnen wollen.

Die Kritik der Länder ist dahingehend nachvollziehbar und berechtigt. Als wir die Einladung erhalten haben, haben auch wir sofort signalisiert, dass wir das Format für nicht geeignet halten. Aber unsere Kritik ist verhallt.

Allerdings sollte die Bereitschaft, für unsere Schülerinnen und Schüler die Dinge zum Besseren zu gestalten, Antrieb genug sein, zu einem solchen Gipfel zu erscheinen.

Es gibt nur wenige Schulen ohne größere bauliche Probleme. 

Christiane Gotte, Vorsitzende des Bundeselternrats

Fehlt es dem Bildungssystem eher an Geld oder eher an der Bereitschaft, neue Wege zu gehen?
Ganz klar an beidem. Es fehlt an Geld für zusätzliche Lehrkräfte, zum Beispiel für Programme zur Personalgewinnung, und natürlich auch für die Sanierung maroder Schulen. Wir gehen alleine dafür von 60 bis 70 Milliarden Euro aus, die bundesweit nötig wären. Der Raum ist der dritte Pädagoge und sehr wichtig, wenn es um die Umsetzung neuer (auch digitaler) Konzepte geht.

Es gibt aber überhaupt nur wenige Schulen ohne größere bauliche Probleme. Aber genauso problematisch ist, dass Lehrkräfte und Schulleitungen bundesweit mit den immensen Problemen alleine gelassen werden und dass Unterstützungssysteme fehlen, um sie zu entlasten.

Neue Wege zu beschreiten bedeutet, dass sich alle an einen Tisch setzen, um Wege zu finden, den Herausforderungen zu begegnen.

Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung

© Imago/Chris Emil Janssen

Was müsste passieren, damit Bund und Länder in Sachen Bildung wieder konstruktiv zusammenarbeiten?
Alle Seiten müssten aufeinander zugehen und sich gegenseitig unterstützen und informieren. Ich mache das mal an einem Beispiel fest: Wir als Bundeselternrat sind beteiligt an Arbeitsgruppen zum Thema Ganztagsschulen von Bildungs- und Familienministerium.

Wenn ich zu einer Sitzung des Familienministeriums laufe, komme ich an der Geschäftsstelle der Kultusministerkonferenz vorbei. Die Kultusministerkonferenz war aber anfangs an der Arbeitsgruppe der Ministerien nicht einmal beteiligt, obwohl sie eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Ganztag hat.

Die verschiedenen staatlichen Ebenen arbeiteten aneinander vorbei. Erst seit wir, die Akteure der Zivilgesellschaft, dies einforderten, werden nun zunehmend Vertreter entsendet.

Sehen Sie eine Parallele zum Gipfel?
Ja. Die einen kommen einfach nicht, weil sie die Vorbereitung schlecht finden. Die anderen ziehen sich darauf zurück, dass sie doch immerhin einen Gipfel organisiert haben und dem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag gerecht geworden sind. Es geht hier schlussendlich um die Bildung unserer Kinder, die die Zukunft unserer Gesellschaft sind. An diesem Hin und Her krankt das gesamte System.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false