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Bundesländer: Wachsender Eigenwille

Die Länder fordern einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer – und beginnen so auch eine Debatte über ihr Verhältnis zum Bund.

Berlin - Ausgerechnet Peter Harry Carstensen machte den Anfang. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, ansonsten keiner aus der vorderen Linie der CDU, hat im November Nein gesagt – als alle anderen Regierungschefs der Union in den Ländern noch stillhielten. Nein zum Steuersenkungspaket der Bundesregierung. Der eigenen Regierung. Denn auch Carstensen koaliert in Kiel mit der FDP, wobei er bei seinem poltrigen Auftritt contra Merkel und Westerwelle Rückendeckung seines Partners Wolfgang Kubicki hatte. Ohne Zugeständnisse wollte der Kieler Ministerpräsident dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ im Bundesrat nicht zustimmen (und ohne die schleswig-holsteinischen Stimmen fehlte die Mehrheit).

Als auch der Sachse Stanislaw Tillich (CDU) auf finanzielle Kompensation pochte (das Paket kostet die Länder wegen des Steuerverbunds mit dem Bund eine ordentliche Stange Geld), war klar, dass Schwarz-Gelb in Berlin sich bewegen würde. Die Kanzlerin musste zahlen, allerdings noch nicht in bar – sie stellte aber einen Verrechnungsscheck aus, einlösbar im kommenden Frühsommer. Bei dem schon vereinbarten Bildungsinvestitionsziel (zehn Prozent des Sozialprodukts) will der Bund dauerhaft einen höheren Anteil übernehmen, 40 statt zehn Prozent. Vereinbart werden soll das, nach der nächsten Steuerschätzung im Mai, bei einem Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten im Juni.

Seit dem Zugeständnis vergeht keine Woche, in der nicht ein Landesregierungschef die Forderung erhebt, der Bund müsse nach dieser Vereinbarung den Anteil der Länder an den Mehrwertsteuereinnahmen erhöhen. Die Kieler Riege hatte das von Beginn an in ihrem Kalkül, auch der Niedersachse Christian Wulff deutete solche Wünsche an, dann kam die Erfurterin Christine Lieberknecht, auch Wolfgang Böhmer in Sachsen-Anhalt sprach sich dafür aus, und am Wochenende unterstützte nun Horst Seehofer das Begehren der Länder.

Eindeutige Absagen aus Berlin hat es bislang nicht gegeben, obwohl natürlich die Bildungsbürokratie im Bund (samt angeschlossener Bildungslobby) eher dazu neigt, das Geld nicht pauschal abzutreten, sondern hübsch gebündelt in vielen Programmen – über die jeweils zwischen dem einen Bundesministerium und den 16 Landesverwaltungen verhandelt werden soll. Ein Fest für die Bildungsbürokraten, dem durch die schnöde Forderung nach einem höheren Steueranteil aus den Staatskanzleien das frühe Ende droht. Denn die Länderchefs wollen selber über die Bildungspolitik bestimmen. Schul- und Hochschulpolitik ist nach dem Grundgesetz ihre Angelegenheit. Lenkung durch den Bund widerspricht dem, daher der Wunsch nach der Steuerübertragung.

Doch damit könnte auch der Steuerverbund insgesamt auf die Tagesordnung kommen. Der Wunsch der FDP nach weiteren Steuersenkungen beißt sich mit der Absicht der Länder (auch der schwarz- gelb regierten), die erst 2009 im Grundgesetz vereinbarte Schuldenbremse möglichst einzuhalten. Der Bund wird das vorerst nicht tun, er erhöht 2010 die Neuverschuldung wegen der Konjunkturprogramme nochmals deutlich. In der Politik des Bundes gilt freilich eine Devise, die ein führender CDU-Haushaltspolitiker gegenüber den Ländern unverblümt so formuliert hat: „Wenn wir Schulden machen, dann macht ihr auch welche.“ Die Länder wollen da aber nicht mehr mittun. Denn ihre Etats sind weniger flexibel als der des Bundes, stärker durch Personalausgaben und wachsende Pensionslasten gebunden und mit einem deutlich höheren Investitionsanteil versehen.

Wenn Bundesregierung und Bundestag Steuern senken wollen, dann trifft das derzeit auch die Landeshaushalte, und zwar alle. Es könnte daher im Sommer (zumal wenn Union und FDP nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai ihre Bundesratsmehrheit verlieren sollten) um weit mehr gehen als nur um einige Bildungsmilliarden. In zwei Runden der Föderalismusreform ist es nur ansatzweise gelungen, die enge Steuerverflechtung von Bund und Ländern zu entwirren. Ein dritter Anlauf, von Fachleuten ohnehin gefordert, könnte auch aus Sicht der schwachen Länder, die sich bislang dagegen wehren, nötig werden. Nach dem Motto: Ihr im Bund könnt gern die Steuern senken, wenn wir davon verschont bleiben. Das läuft auf mehr Trennung oder eine flexiblere Steuerpolitik hinaus. Im Bund-Länder-Verhältnis könnte es 2010 zu spannenden Debatten kommen.

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