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Bundespräsident besucht Israel: Die Kraft der Bilder

Christian Wulff und seine Tochter besuchen Israel. Der Bundespräsident bekennt sich zur deutschen Schuld.

Von Antje Sirleschtov

Ein Kranz am Grab von Theodor Herzl, eine Verbeugung vor den Opfern des Holocaust und vor allem ein ganz privater Gang mit seiner Tochter Annalena durch das Mahnmal für 1,5 Millionen ermordete jüdische Kinder in Yad Vashem: Der viertägige Besuch von Christian Wulff in Israel und in den Palästinensischen Gebieten ist nicht nur die erste größere Auslandsreise überhaupt, die der Bundespräsident selbst organisiert und damit nicht von seinem Amtsvorgänger Horst Köhler übernommen hat. Es ist auch eine ungewöhnlich dicht mit sichtbaren Zeichen gespickte Visite. Nie zuvor hat ein deutsches Staatsoberhaupt eines seiner Kinder so bewusst ins Rampenlicht der Weltpolitik gerückt, wie Christian Wulff es mit seiner Tochter tut. Nie zuvor hat ein deutscher Politiker den auch in Israel nicht ganz unumstrittenen geistigen Vater des Judenstaates, Herzl, geehrt. Und letztlich: Selten reist ein deutsches Staatsoberhaupt mit einem so schwer bepackten Rucksack in das Land der Juden. Hierher in den Nahen Osten, nach Jerusalem, zu kommen, nachdem man wenige Wochen zuvor den ungeliebten Nachbarn Türkei besucht hat und vor allem, nachdem man am 3. Oktober zu Hause so laut und deutlich gesagt hat, dass nicht nur das Christen- und das Judentum sondern auch der Islam zu Deutschland gehört, das bedarf in dem so beladenen deutsch-israelischen Verhältnis einiger Erklärung.

Dass das wache Geschichtsbewusstsein der Deutschen unterstrichen wird, dafür hat Christian Wulff gleich am ersten Tag seiner Reise eindrucksvoll gesorgt. Aufmerksam ließ er sich in der Gedenkstätte für die sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden „Yad Vashem“ über jüdische Kultur, die Gräueltaten der Shoah und den Umgang mit den Überlebenden von Auschwitz, Birkenau und Treblinka unterrichten. Diese „unfassbaren Verbrechen“, schrieb der Präsident danach in das Gästebuch, würden den Deutschen „dauerhafte Verpflichtung sein, für das Existenzrecht Israels einzutreten“. Und mehr noch: Gerade jetzt, da die Zahl der Überlebenden immer kleiner wird, will sich dieser Präsident für jeden sichtbar dafür einsetzen dass das Geschehene nicht in Vergessenheit gerät. „Verantwortung an die nächste Generation übergeben“, sagt Wulff dazu, nennt es einen „Herzenswunsch“ und hatte dabei natürlich auch dieses eine Bild im Blick: Ein Zeitzeuge, ein Nachkriegsgeborener und ein 17-jähriges Kind der Gegenwart stehen nebeneinander in der düsteren Halle der Erinnerung von Yad Vashem und entfachen das ewig an den Holocaust erinnernde Feuer neu. Schimon Peres, der 87-jährige Präsident Israels, der 51jährige deutsche Bundespräsident und Annalena, Wulffs Tochter aus erster Ehe.

Vater und Tochter in solch herzanrührender Szenerie: Eine wunderbare Idee könnte man das nennen. Aber eben auch einen clever eingefädelten Schachzug zur Dokumentation eigener Bedeutung. Zumal Wulffs erster Besuch in Israel nicht den Rang eines Staatsbesuches hat und ihn auch niemand gebeten hat, vor dem Parlament, der Knesset, eine politische Rede zu halten. In solcher Lage muss man schon mal selbst für kraftvolle Bilder sorgen. Ganz fair wäre es jedoch nicht, Wulff einzig solches Kalkül zu unterstellen. Denn nicht nur, dass die 17-jährige Schülerin Annalena aus Osnabrück hier in Jerusalem trotz der emotionalen Wucht des Ortes glaubhaft vermitteln konnte, dass sie sehr wohl etwas mit dem Begriff der „Verantwortung für die deutsche Geschichte“ anfangen kann und daher keineswegs allein für’s politische Bild ihres Vaters mitgekommen war.

Ihre acht Altersgenossen, die Christian Wulff nach Jerusalem begleiteten, berichteten eindrucksvoll, wie lebendig und alltäglich der beidseitige Jugendkontakt längst ist. Ein junger Mann, der die Geschichte eines Großonkels erforscht, der in den dreißiger Jahren Gauleiter und damit Täter war. Ein anderer, der nach dem Abitur ein soziales Jahr damit verbracht hat, deutschen Holocaustüberlebenden in Jerusalem im Alltag zu helfen. Mehr als 600 junge Deutsche sind regelmäßig in Israel, lernen oder arbeiten hier. Und vor allem, sie stehen dafür, dass es kein Vergessen gibt. Auch, wenn gerade keine Kamera den Bundespräsidenten und seine Tochter bei der Geschichtsaufarbeitung filmt.

Am Ende seiner Reise wird Wulff nach Bethlehem fahren und dort den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas treffen. Gern haben die Israelis diesen Programmpunkt nicht gesehen. Es bedurfte des Versprechens von Wulff, er gehe dorthin als „Freund Israels“, wolle allerdings die Interessen der Palästinenser ebenso verstehen. Vertrauen schaffen, Interessen verstehen: Trotz all der starken Bilder, politisch gesehen ist dies eine Reise der Bescheidenheit. Ob Wulff in Zukunft mehr daraus machen will – und kann – , das wird man wohl erst beim nächsten Mal sehen.

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