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Bernhard Gertz

© dpa

Bundeswehr: "Die Truppe in Afghanistan reicht nicht"

Der Vorsitzende des deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, fordert mehr Soldaten für Afghanistan, und zwar rasch. Das bisherige Bundeswehrmandat müsse von 3500 Soldaten auf 4000 aufgestockt werden.

Berlin - Zusätzlich forderte Bernhard Gertz einen Spielraum von mindestens zehn Prozent. Alles andere nennt er „militärisch nicht zu verantworten“.

Gertz ist bekannt für drastische Worte, am Dienstag jedoch setzt er bei Zander und Lammbraten auch für seine Verhältnisse zu einem beachtlichen Rundumschlag an. Mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr in Afghanistan und ein drohender Vertrauensverlust der Soldaten in die Politik sind nur einige Punkte unter vielen. Die Forderung nach einer Mandatsobergrenze ist da an sich gar nicht so brisant, es ist der Zeitpunkt, der besonders Angela Merkel missfallen dürfte.

Die Bundesregierung hat zwar eine solche „Anhebung des Mandatsdeckels“ bereits als notwendig für die Flexibilität der Truppe erkannt. Derzeit agiert diese an der Grenze des Möglichen, gerade überschreitet sie aufgrund eines Kontingentwechsels ohnehin die Mandatsgrenze von 3500 Mann um weitere 300. Bisher will aber die Kanzlerin diese Debatte erst im Oktober beginnen, wenn der Bundestag ohnehin über die Verlängerung des Afghanistaneinsatzes entscheidet. Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) wies Gertz Forderung am Dienstag auch sofort zurück. Für ihn gelte „der Beschluss des Bundestages und damit die Obergrenze von 3500 Soldaten“, so der Minister. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden betonte, die Initiative für eine frühere Entscheidung über die Mandatsobergrenze müsse vom Verteidigungsminister ausgehen.

Beim Koalitionspartner, der SPD, stößt Gertz mit seiner Forderung auf offenere Ohren. So forderte der Verteidigungspolitiker Rainer Arnold schon im Herbst, zusätzliche Aufgaben für die Soldaten müssten sich auf die Mandatsobergrenze auswirken. Damals zeichnete sich ab, dass Deutschland im Sommer von den Norwegern die 350 Mann starke Quick Reaction Force (Schnelle Eingreiftruppe) übernehmen wird. „Jetzt aber“, so Arnold, „muss der Verteidigungsminister sagen, was notwendig ist“.

Doch Jung sagt nichts, und Gertz sieht Sicherheitsprobleme auf die Soldaten in Nordafghanistan zukommen. Um wieder unter die Mandatsgrenze zu kommen, erklärt er, werde das Einsatzführungskommando bis Mai insgesamt 330 Soldaten abziehen. Was zum Beispiel zur Folge habe, dass künftig ein Aufklärungsradar am Flughafen von Masar-i-Scharif nur noch in einer statt wie bisher zwei Schichten betrieben werden könne.

Den immer wieder geäußerten Forderungen der Alliierten in der Nato nach einem stärkeren Bundeswehrengagement nicht nur in Nord-, sondern auch im umkämpften Südafghanistan erteilt Gertz erwartungsgemäß eine Absage, jedoch mit unerwarteter Begründung: „Der Gedanke, man könne im Süden den Kampf gegen den Terror militärisch gewinnen, ist vergleichbar mit dem Versuch, ein totes Pferd zu reiten.“ Die Deutschen sollten nicht an einem aussichtslosen Kampf teilnehmen. Es brauche dagegen viel mehr Anstrengungen beim Aus- und Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte, sagt Gertz, und beklagt sich noch einmal über die Politik: Insgesamt 45 Feldjäger seien zur Polizeiausbildung abkommandiert, die Innenminister der Bundesländer aber würden nicht genug Polizisten schicken.

Gertz Analyse zum Aufbau der Staatsstrukturen dürfte auf wenig Widerspruch stoßen. Doch was er zum Einsatz im Süden sagt, hält der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose für „eine unglaubliche Erklärung“. „Wie soll man dann unseren Nato-Partnern erklären, weshalb sie sich weiter in Südafghanistan engagieren sollen?“, will er wissen. Peter P. van Wulfften Palthe, Botschafter Den Haags in Berlin, wäre wohl schockiert. Die niederländische Armee ist wie Kanada und Australien in Südafghanistan im Einsatz. Bei einer Ausstellungseröffnung im Willy-Brandt-Haus forderte van Wulfften Palthe am Montagabend, mit der „künstlichen Nord-Süd-Aufteilung“ müsse „Schluss sein“. Wenn die Isaf-Truppen in Absprache mit der afghanischen Führung dort eingesetzt würden, wo dies wegen der Sicherheitslage am notwendigsten sei, ließe sich die Sicherheit des Landes „effektiver gewährleisten“, sagte er. Solchen Forderungen aber hat die Kanzlerin persönlich schon in der Vergangenheit eine Abfuhr erteilt.

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