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Politik: Bundeswehr: Eine Frage der Politik

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss keinen Zweifel daran gelassen, dass die Politik weiter frei entscheiden kann, ob sie an der Wehrpflicht festhält oder eine Berufsarmee einführt. Dass Karlsruhe die Wehrpflicht nicht für verfassungswidrig erklären wird, daran hatten Beobachter keine Zweifel gehegt.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss keinen Zweifel daran gelassen, dass die Politik weiter frei entscheiden kann, ob sie an der Wehrpflicht festhält oder eine Berufsarmee einführt. Dass Karlsruhe die Wehrpflicht nicht für verfassungswidrig erklären wird, daran hatten Beobachter keine Zweifel gehegt. Denn es steht im Grundgesetz, dass Männer "zum Wehrdienst an der Waffe" herangezogen werden "können". Wenn die acht Verfassungsrichterinnen und Richter der Ansicht gewesen wären, dass diese Kann-Bestimmung durch kein sicherheitspolitisches Argument mehr zu rechtfertigen ist, hätten sie zumindest eine mündliche Verhandlung angesetzt. Deshalb war relativ klar, dass keine systemverändernden Beschlüsse zu erwarten seien würden.

Keine mündliche Verhandlung

Es hätte aber sein können, dass der zuständige Zweite Senat an der Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht zwar nicht rüttelt, dem Gesetzgeber aber eine Überprüfung nahe legt. Denn mit dem Zwangsdienst sind für Männer deutliche Einschnitte in der Lebensplanung verbunden. Verteidigungsminister Rudolf Scharping hat nun jedoch keine neue Begründungsnot. Der Zweite Senat signalisiert sogar, dass es gute Gründe geben könnte, an der Wehrpflicht festzuhalten. Konkret genannt werden Bündnispflichten, wirtschaftliche Gründe und die demokratische Kontrolle der Armee. Aber auch die Rekrutierung des Nachwuchses müsse bei der Entscheidung Wehrpflichtigen- oder Berufsarmee abgewogen werden.

Zum Thema Porträt: Totalverweigerer Volker Wiedersberg Stichwort: Die Wehrpflicht Internet-Panne: Gezielte Indiskretion? Umfrage: Wehrpflicht zugunsten einer Berufsarmee abschaffen? Noch eines stellt der Zweite Senat klar: Das Grundgesetz ermöglicht seit 1956 die Wehrpflicht für Männer, Voraussetzung sei nicht eine bestimmte sicherheitspolitische Lage. Damit verlangt das Bundesverfassungsgericht keine automatische Überprüfung der Wehrpflicht bei Veränderung der Weltlage. Nun ruhen alle Augen auf dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Dem wurde die Frage vorgelegt, ob die deutsche Wehrpflicht nur für Männer Europarecht verletzt. Die Verhandlung findet nächste Woche statt, bis zur Entscheidung werden wohl noch Monate vergehen.

Der Totalverweigerer Volker Wiedersberg, dessen Fall zu dem Normenkontrollverfahren geführt hatte, kritisierte das Urteil. "Das Bundesverfassungsgericht hat sich um die eigentliche Entscheidung gedrückt, indem sie die Richtervorlage als unzulässig zurückgewiesen haben", sagte der 33-Jährige. Dies sei für ihn umso erstaunlicher, als dem höchsten deutschen Gericht etliche weitere Verfassungsbeschwerden im Zusammenhang mit der Wehrpflicht vorlägen. Für Wiedersberg ist mit der BVG-Entscheidung dennoch nicht das letzte Wort gesprochen. Er kündigte eine erneute Verfassungsbeschwerde an, falls das Potsdamer Landgericht im Berufungsverfahren ein Urteil gegen ihn sprechen sollte.

Zu schnell im Internet

Der mit Spannung erwartete Beschluss war am Mittwoch auf Grund einer Panne wesentlich früher an die Öffentlichkeit gelangt, als von Karlsruhe geplant. Nicht erst um zehn Uhr, sondern schon Stunden vorher war die Entscheidung im Internet nachzulesen. Zwar war der Beschluss im Internet zunächst nicht unter den gewohnten Rubriken "Pressemitteilungen" oder "Entscheidungen" zu finden; mit Hilfe eines Suchworts erschien dieser aber auf dem Bildschirm. "Es war nicht beabsichtigt und ist bisher auch noch nie vorgekommen", versicherte die Sprecherin des Gerichts. Deshalb ließ sie die Entscheidung am Morgen kurzzeitig wieder aus dem Netz nehmen.

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