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„Wenn Sie nur nach Umfragen Politik machen wollen, brauchen Sie uns nicht mehr!“, sagt ein Bedenkenträger der Basis zu Angela Merkel.

© dpa

CDU: Die Basis murrt

Draußen im Lande hängt die Erinnerung an das Berliner Krawalljahr weiter wie Blei an der CDU. Bei der ersten Regionalkonferenz dieses Herbstes bekommt Angela Merkel geballten Frust zu spüren.

Von Robert Birnbaum

Frank Lortz hat einen Zettel mitgebracht und eine Verpflichtung. „Dass die Stimmung nicht berauschend ist bei unseren Freunden, ist klar“, sagt Lortz. Er ist Kreisvorsitzender der CDU in Offenbach- Land. In Hessen stehen dieser Tage Kommunalwahlen an. Die Aussichten sind eher finster. Lortz hat seiner Basis versprochen, dass er der Frau Kanzlerin und Bundesvorsitzenden an diesem Mittwochabend mal offen ins Gesicht sagt, was denen da unten nicht passt. Es ist eine ziemlich lange Liste geworden. Sie fängt mit völligem Unverständnis darüber an, dass zu jeder Frage ständig unterschiedliche Meinungen in der Koalition zu hören seien, und endet mit der bescheidenen Hoffnung, dass aus Berlin wenigstens kein Gegenwind mehr kommen möge.

Fast 2000 CDU-Funktionäre sind zur ersten in der Serie herbstlicher Regionalkonferenzen mit Angela Merkel in die Rhein-Main-Halle nach Wiesbaden gekommen. Merkel hat sich die Tournee durch die Basis vor der Sommerpause verordnet, als die schwarz-gelbe Koalition im Chaos versank und CDU-Mitglieder ihr Parteibuch schamhaft versteckten. Inzwischen sind die Koalitionäre in sich gegangen. Doch draußen im Lande hängt die Erinnerung an das Berliner Krawalljahr weiter wie Blei an der Partei. Die Hessen kriegen die Folgen zu spüren, die Saarländer, erst recht die Rheinland-Pfälzer. In Mainz wird im März der Landtag gewählt.

Merkel wird trotzdem mit freundlichem Applaus begrüßt. Deutlich stärker fällt der Beifall für den Mann zu ihrer Linken aus, den Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier süffisant als „unseren Ehrenvorsitzenden“ tituliert. Roland Koch lacht. Bei einem Mann Anfang 50 wirkt der Rentner-Titel ja wirklich komisch. Später wird einer aus dem Saal klagen, dass er sich Koch als Vizekanzler oder als Kanzler gewünscht hätte, woraufhin Koch schallend lacht und Merkel mitkichert.

Ansonsten hat die CDU-Chefin wenig zu lachen. Sie hat sich eine Art Ruck- Rede zurechtgelegt. Ein knapper Hinweis, dass man in Berlin verstanden habe – „Da wartet man elf Jahre auf ’ne Wunschkoalition, und dann schimpft man aufeinander!“ –, dann ist Merkel beim „Herbst der Entscheidungen“ und, vor allem, bei der CDU als Kampfverband. Immer wieder, lautet Merkels aktuelle Version der Parteigeschichte, habe die CDU unpopuläre Entscheidungen vertreten. Jedes Mal, von der Wiederbewaffnung bis zur Einheit, habe sich das als richtig erwiesen. Es gelte „kämpferisch, nicht verbissen, aber überzeugt von dem was wir tun“ für die eigene Politik einzustehen.

Was den Tonfall angeht, kommt diese neue Merkel ganz gut an, auch deshalb, weil in einer Ecke ihres Wesens immer schon eine kleine Rauflust verborgen saß. Aber je mehr Fragesteller sich zu Wort melden, desto stärker drängt sich der Verdacht auf, dass es mit dem Kampfgeist der Partei so eine Sache ist. Die CDU mag nur die Gefechte gern, bei denen die Mehrheit hinter ihr steht. So stellt niemand das neue Bundeswehrkonzept des CSU-Stars Karl-Theodor zu Guttenberg infrage – trotzdem bekunden vier Redner Unbehagen mit dem Abschied von der Wehrpflicht. Stuttgart 21 – „das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen“. Längere Atomlaufzeiten sei „Politik gegen die Menschen“, sagt ein anderer, wofür er unmutiges Gemurmel erntet, aber keinen Widerspruch. Die Rente mit 67 werde zum „Symbolthema dafür, dass wir als CDU die Sorgen der Menschen nicht ernst nehmen“, klagt nicht nur eine Vertreterin des Arbeitnehmerflügels. Als Merkel die Gesundheitspolitik verteidigt, steht die Skepsis in die Gesichter geschrieben. Und was einen Bundespräsidenten Christian Wulff treibt, den Islam aufzuwerten, ist der Basis ein Rätsel – die Mainzer Landeschefin Julia Klöckner berichtet von Austritten – und den zwei Muslimen, die sich zu Wort melden, angesichts gereizter Abwehrreaktionen ihrer Parteifreunde ebenfalls nicht recht: „Wir haben Gott sei Dank keinen Sarrazin“, sagt sorgenvoll Herr Öner.

Eineinhalb Stunden hört Merkel zu, oft mit unwirscher Miene. Hinterher wird sie „Ernsthaftigkeit“ als neue Berliner Generallinie versprechen. Aber ihr schwant, dass der Kampfgeist der eigene Truppe rapide schwindet, sobald es für Unpopuläres zu fechten gilt. Unwillig raunzt sie Bedenkenträger an: „Wenn Sie nur nach Umfragen Politik machen wollen, brauchen Sie uns nicht mehr!“

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