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Smog hängt über der Hauptstadt von Chile. Die Regierung will bis weit vor 2050 eine Null-Emissions-Politik schaffen.

© Hans Scott/Agencia Uno/dpa

Chiles Außenminister Ampuero: „Mit freiem Handel haben wir die Armut verringert“

Chiles Außenminister Roberto Ampuero über Abkommen mit Europa und den USA, Weltklimagipfel - und den Kampf seines Landes gegen den Plastikmüll. Ein Interview.

Roberto Ampuero ist seit 2018 Chiles Außenminister. Nach dem Militärputsch 1973 gegen Salvador Allende lebte der Schriftsteller im Exil in der DDR, Kuba und der Bundesrepublik.

Herr Minister, kein Land weltweit hat mehr Freihandelsabkommen als Chile. Warum ist das so?

Chile hat 26 Freihandelsabkommen mit 62 Volkswirtschaften in aller Welt. Wir umfassen damit fast 90 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Chile ist ein kleines Land mit 18 Millionen Einwohnern. Bei dieser Ausgangslage wäre es unmöglich, sich stärker zu entwickeln, die Armut zu bekämpfen, sich mehr in der Welt zu integrieren. Die Diktatur von Augusto Pinochet hinterließ zumindest eine funktionierende Wirtschaft. In der Demokratie müssen wir aber die soziale Inklusion schaffen – dabei helfen uns die Freihandelsabkommen, mit Europa und den USA.

2005 hat Chile sehr schnell ein Abkommen mit China ausgehandelt. Seit 2015 wird an der Erneuerung des Abkommens mit Europa gearbeitet. Warum dauert es bei Verhandlungen mit der EU so lange?

Chilenische Produkte wie Wein, Fisch und Früchte konkurrieren direkt mit europäischen Produkten. Mit China ging es so schnell, weil es dort eine große Nachfrage gibt. Bei Wein, Gemüse und Früchten zum Beispielist sie enorm. Millionen Menschen sind nicht mehr arm, es gibt eine wachsende Mittelschicht. Das hat einen Exportboom befördert. China ist mit einem Volumen von 44 Milliarden US-Dollar heute der wichtigste Handelspartner. Dahinter folgen die Vereinigten Staaten mit rund 24 Milliarden US-Dollar.

Roberto Ampuero ist seit 2018 Chiles Außenminister.
Roberto Ampuero ist seit 2018 Chiles Außenminister.

© Rodrigo Garrido/REUTERS

In Deutschland ist Freihandel und Globalisierung ein sehr kontroverses Thema. Ein Vorwurf, der erhoben wird, lautet: Beides lässt am Ende die Einkommensunterschiede weiter wachsen.

Die Entwicklung, die Chile in den vergangenen 25, 30 Jahren genommen hat, ist auch eine der Modernisierung – mit großen Erfolgen im Kampf gegen die Armut. Mit den offenen Märkten haben wir die Armut verringert, die öffentlichen Leistungen ausgebaut. Die Bürger spüren: Die Außenhandelspolitik bringt ihnen etwas, vor allem Arbeit und Lebensqualität.

Ein Exportprodukt der Zukunft ist Lithium, wegen der Elektromobilität.

Chile hat riesige Vorkommen und ist der größte Lithiumförderer der Welt. Wir sind offen für alle Länder. In diesem Jahr hat es vor allem Investitionen chinesischer Unternehmen gegeben.

Saubere Energie ist das Thema der Stunde. Was will Chile als Gastgeber der nächsten UN-Klimakonferenz Ende 2019 erreichen?

Es geht um die konkrete Umsetzung des Weltklimavertrags von Paris. Und wir sind direkt betroffen von der Veränderung der Ozeane durch den Klimawandel. Aber auch wir selbst möchten umgekehrt schauen: Was sind etwa bei der Lachszucht noch verantwortbare Quoten? Ein weiteres Element ist ein besserer Schutz der Antarktis und eine Regulierung des Tourismus dorthin. Als nationales Ziel wollen wir weit vor 2050 eine Null-Emissions-Politik schaffen – bei uns in Chile wird inzwischen auch kein Kohlekraftwerk mehr gebaut, für die bestehenden arbeiten wir mit den Energieunternehmen an einem Ausstiegsszenario. Dazu muss man wissen: Unsere Kohlekraftwerke sind im Schnitt erst zwölf Jahre alt. Zwei Drittel der in Lateinamerika produzierten Solarenergie werden in Chile produziert, dank riesiger Solarparks in der Atacama-Wüste. Und Santiago de Chile ist heute die Stadt mit der zweithöchsten Quote an Elektro-Autobussen weltweit.

Ein riesiges Problem Chiles ist bei 6435 Kilometern Küstenlänge der Plastikmüll.

Innerhalb von zwei Jahren wollen wir erreichen, dass nirgendwo mehr Plastiktüten in Chile benutzt werden, und wir starten mit den Küstenregionen. Fische, Delfine – überall sehen wir die dramatischen Auswirkungen von Plastik. Das Plastiktütenverbot stößt bei 85 Prozent der Bürger auf Zustimmung.

In Deutschland gab es große Debatten über das Thema der Aufnahme vieler Flüchtlinge. Auch Chile erlebt das gerade, bereits 300000 Venezolaner leben dort.

Generell gilt: Migration bietet große Möglichkeiten. Unsere Aufgabe ist es jedoch zugleich, verantwortlich zu handeln, unter Berücksichtigung dessen, was eine Bevölkerung verkraften kann.

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