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Politik: Cosa Nostra: Italien streitet über Verhandlungen des Staates mit inhaftierten einflussreichen Mafiosi

Nach mehreren Indiskretionen in der Presse hat der Chef der italienischen Antimafia-Behörde, Pierluigi Vigna, jetzt bestätigt, dass "einige der wichtigsten Mafia-Bosse in den Hochsicherheitstrakten" eine "ernst zu nehmende Absicht gezeigt haben, einen Schlussstrich unter ihre Zugehörigkeit zur Cosa Nostra zu ziehen". Dafür wurden ihnen Hafterleichterungen und Verkürzung von Haftzeiten zugesichert.

Nach mehreren Indiskretionen in der Presse hat der Chef der italienischen Antimafia-Behörde, Pierluigi Vigna, jetzt bestätigt, dass "einige der wichtigsten Mafia-Bosse in den Hochsicherheitstrakten" eine "ernst zu nehmende Absicht gezeigt haben, einen Schlussstrich unter ihre Zugehörigkeit zur Cosa Nostra zu ziehen". Dafür wurden ihnen Hafterleichterungen und Verkürzung von Haftzeiten zugesichert. Derzeit sitzen in Italien etwa 1600 Mafiosi ein.

Mindestens fünf der wichtigsten Mafiosi sollen nun ihre Bereitschaft erklärt haben, sich von der Mafia abzusetzen - ohne allerdings ihre Kumpane ans Messer zu liefern. Wohl aber wollten sie ihre Waffenarsenale und die Kanäle zur Geldwäsche nennen, heißt es. In den achtziger Jahren wurde bei ehemaligen Terroristen unterschieden zwischen "Dissociati", die nur aussteigen wollten, und "Pentiti", die zur Zusammenarbeit mit den Behörden bereit waren. Die "Dissociati" bekamen maximal ein Drittel Strafnachlass, die "Pentiti" das Doppelte.

Die Bekanntgabe der Gespräche hat Italiens Justiz und Politik in helle Aufruhr versetzt: "Die Mafia verhandelt über die Kapitulation" überschreibt erfreut "la Repubblica", vom "Aufstand der Staatsanwälte" berichtet dagegen der "Corriere della sera". Parlamentarier aller Fraktionen haben Anfragen eingereicht; sie wollen wissen, ob der Staat mit rechtskräftig verurteilten Mördern, Räubern, Erpressern, Waffen- und Drogenschiebern verhandeln darf - zumal wenn er sie schon gefangen hat. Auch die Regierung zeigt sich verwirrt: Strafnachlässe zu versprechen "sei absolut nicht Sache des Antimafia-Chefs", sondern bedürfe "einer gesetzlichen Grundlage seitens des Parlaments", erklärte Justiminister Piero Fassino. Der neue Vorsitzende der Parlamentarischen Antimafia-Kommission, Giuseppe Lumia, betont, dass "der Staat sich niemals mit diesen Elementen einlassen dürfe". Die Opposition fordert die Ablösung Vignas, dessen Gespräche mit den Bossen sie als "absolut unautorisierten Alleingang" ansieht.

Allzu vehement lehnen zumindest die Regierungsmitglieder die Angelegenheit jedoch nicht ab. Denn die Bosse in den Knästen locken mit einem Appetithappen, den die Administration Amato als großen Erfolg feiern könnte: die Auslieferung des derzeit meistgesuchten Bosses, Bernardo Provenzano. Der ist seit mehr als 25 Jahren untergetaucht, es gibt nicht einmal Fotos aus jüngerer Zeit von ihm. Er gilt seit der Festnahme der großen Capi der Cosa Nostra als Oberhaupt sämtlicher Clans. Genau an dieser Stelle bekommen nun manche Mafiologen Zweifel am Hintergrund der gesamten Affäre: Sollten die Indiskretionen in der Presse am Ende dazu dienen, Provenzano zu warnen? Der Mann soll sich seit vielen Jahren in Deutschland versteckt halten. Und nach Meinung deutscher Polizisten könnte die "merkwürdige Ruhe", die derzeit in der italienisch-deutschen Mafia-Szene herrscht, durchaus damit zusammenhängen, dass man hier keine Razzien und unvermittelten Festnahen provozieren wollte. Wo auch immer Provenzano sich versteckt hält - er ist vorgewarnt.

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