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Alexander Dobrindt

© picture-alliance/ dpa

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt: "Konservativ und modern widersprechen sich nicht"

CSU-Generalsekretär Dobrindt spricht mit dem Tagesspiegel über den Kurs von Kanzlerin Merkel, soziale Schieflagen, die Gesundheitsreform und tickende Zeitbomben.

Herr Dobrindt, wir haben aus Bayern schon länger nichts Negatives mehr über die „Gurkentruppe FDP“ gehört. Sind Ihnen die Schimpfworte ausgegangen?

Die Ergebnisse unserer Regierungsarbeit können sich sehen lassen. Trotz Wirtschafts- und Finanzkrise haben wir ein Jobwunder, und wir konsolidieren den Bundeshaushalt. Die A-Note ist gut. Aber die B-Note ist eindeutig verbesserungswürdig: An unserem Erscheinungsbild müssen wir arbeiten.

Sie haben zu diesem Erscheinungsbild beigetragen. Wie scharf dürfen Attacken auf den Koalitionspartner sein?

Wenn der Koalitionspartner sich nicht an den Koalitionsvertrag hält, muss man das klar und deutlich ansprechen können. Nehmen Sie Brüderles Forderung nach Abschaffung der Rentengarantie: Das steht nicht im Koalitionsvertrag, ebenso wenig wie die Forderung nach Steuererhöhungen. Wenn sich alle ein Stück mehr an getroffene Entscheidungen halten würden, gäbe es mehr Ordnung in der Koalition.

Man hat den Eindruck, die CSU nimmt es den Liberalen immer noch übel, dass sie in Bayern nicht mehr alleine regieren darf …

Wir akzeptieren Wahlergebnisse. Gerade in Bayern ist die Zusammenarbeit mit der FDP einwandfrei. Trotzdem ist es legitim, darüber nachzudenken, wie man bei künftigen Wahlen ein besseres Ergebnis für sich erzielen kann.

Franz Josef Strauß hat gepunktet, indem er gegen die Bundesregierung wetterte. Hat Horst Seehofer das Format von Strauß, um damit ebenfalls erfolgreich zu sein?

Die CSU hat zu jeder Zeit, von Franz Josef Strauß bis Horst Seehofer, die Bundespolitik mit ihrer Handschrift mitgeprägt. Das wird gern als Distanzierung von der Regierungspolitik hingestellt, aber tatsächlich geht es uns um unsere christlich-sozialen Leitsätze. CSU-Politik hat sich zum Beispiel immer dadurch ausgezeichnet, dass sie besonders wertkonservativ ist. Es kann aber nicht Aufgabe der CSU allein sein, die konservativen Wurzeln zu benennen und die konservativen Themen anzusprechen. Das muss auch die Union insgesamt tun.

Nimmt Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Modernisierungskurs zu wenig Rücksicht auf die Konservativen in der Union?

Konservativ und modern müssen sich nicht widersprechen. Konservative Werte erfahren genau im Moment eine echte Renaissance. Die Finanzkrise hat doch gelehrt, dass wir wieder mehr Wertebezogenheit brauchen. Verlässlichkeit, Vertrauen und Maßhalten statt Gier und ungezügeltem Profitstreben – das sind doch absolut moderne Werte! Veränderung darf trotzdem sein, aber man sollte nicht auf zu vielen Instrumenten gleichzeitig spielen, sonst trifft man manchmal den Ton nicht richtig.

Sie finden also, dass es die CDU mit der Modernisierung übertreibt?

Die Union muss absolut verlässlich in ihren Grundüberzeugungen sein. Das ist eine Verpflichtung gegenüber unseren Anhängern, die uns jahrzehntelang die Treue halten. Treue muss belohnt werden. Es schadet Volksparteien, wenn sie ihre Stammwähler zu wenig respektieren. Das sieht man an den Sozialdemokraten.

Sehen Sie derzeit die Gefahr einer Partei rechts von der Union?

Solange wir das Diktum von Franz Josef Strauß berücksichtigen, dass es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben darf, besteht hier keine Gefahr. Aber eine Volkspartei wird Wahlen in Zukunft nur dann gewinnen, wenn sie frühere Wähler, die aus Protest zu Hause geblieben sind, wieder für sich mobilisiert. Das sollte auch die CDU beherzigen. Bei manchen in der CDU habe ich das Gefühl, dass sie die Mitte auf der linken Seite des Spielfelds verorten.

Mit dem Sparpaket wollte die Regierung Handlungsfähigkeit beweisen, inzwischen wird darüber schon wieder gestritten. Wie wollen Sie so Vertrauen zurückgewinnen?

Bei uns gibt es kein Wackeln, wir stehen zu den gemeinsamen Verabredungen. Und ich kann allen Koalitionspartnern nur empfehlen, nicht Teile des Sparpakets infrage zu stellen. Das ist eine Frage der Verlässlichkeit.

Warum hat die Koalition nicht auf mehr soziale Ausgewogenheit geachtet?

Das Paket ist ausgewogen. Wenn etwa Arbeitslose schneller in Jobs vermittelt werden, führt das zu Einsparungen, ist aber auch gut für die Betroffenen. Außerdem werden heute bereits 54 Prozent des Bundeshaushalts für Soziales ausgegeben, vor 20 Jahren waren es noch 30 Prozent. Wenn man den Haushalt konsolidieren will, kann man diesen Bereich nicht außen vor lassen.

Was wäre so schlimm daran, auch von Besserverdienenden einen höheren steuerlichen Beitrag zu verlangen?

Wir können doch nicht bei jeder Sparmaßnahme immer auch den Spitzensteuersatz erhöhen. Dann wären wir längst bei mehr als 75 Prozent. Eine singuläre Erhöhung des Spitzensteuersatzes führt im Übrigen zu einer Verschärfung der gesamten Steuerkurve und damit zu Mehrbelastungen für alle. Steuererhöhung für alle: Das heißt soziale Schieflage.

Auch die Gesundheitsreform hat eine soziale Schlagseite. Die CSU hat einem Kompromiss zugestimmt, der Arbeitnehmern langfristig immer höhere Kosten aufbürdet.

Unser oberstes Reformziel war, das erstklassige deutsche Gesundheitswesen in seiner jetzigen Form zu erhalten. Das haben wir erreicht. Es kommt, übrigens anders als bei früheren Reformen, zu keinen Einschnitten im Leistungskatalog und zu keiner Zusatzbelastung für die Patienten. Das ist ein wichtiger Aspekt sozialer Ausgewogenheit. Und wir haben die Lasten so verteilt, dass auch Leistungserbringer wie die Pharmaindustrie Beiträge erbringen müssen.

Die Arbeitgeberbeiträge werden eingefroren, die Versicherten tragen alle künftigen Kostensteigerungen allein. Was hat das mit gerechter Lastenverteilung zu tun?

Die Beitragsanhebung trifft paritätisch Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen. Daneben wird das bestehende Instrument der Zusatzbeiträge weiterentwickelt, die jede Kasse individuell erheben kann, aber nicht muss. Dafür gibt es aber eine klare Obergrenze von zwei Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens.

Die Kopfpauschale war für die CSU immer ein rotes Tuch. Die Finanzierung über steigende Zusatzbeiträge ist aber doch nichts anderes, oder?

Nicht einmal die FDP bezeichnet die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Zusatzbeiträge als Kopfpauschale …

Aber als „Zusatzprämie“. Gefällt Ihnen diese Bezeichnung besser?

(Lacht) Die Semantik überlassen wir gerne anderen. Fakt ist, dass das vermutliche Defizit von elf Milliarden Euro im nächsten Jahr mit der paritätischen Erhöhung der Beiträge auf den Stand vor der Krise, mit Sparmaßnahmen bei Leistungserbringern und mit den zusätzlichen Steuermitteln zu decken ist. Die weiterentwickelten Zusatzbeiträge werden mittelfristig nicht zum Tragen kommen.

Und auf längere Sicht?

Den Praxistest für sein Konzept muss der Bundesgesundheitsminister erst erbringen. Wir erwarten von ihm konkrete Vorschläge, wie sich der theoretische Ansatz praxistauglich zeigen kann.

Wenn die Kassen auf breiter Front mit Zusatzbeiträgen loslegen, geht auch der Streit zwischen CSU und FDP wieder los?

Es geht nicht um Streit, sondern um die zukunftssichere Versorgung der Menschen mit Gesundheitsleistungen. Dafür lohnt es sich, inhaltlich zu diskutieren. Wir haben jetzt erreicht, dass das Gesundheitswesen in seiner bisherigen bewährten Struktur erhalten bleibt.

Sie haben eine Reform gebilligt, von der sie hoffen, dass sie nie zum Tragen kommt?

Ich kenne keine Wahlperiode der Vergangenheit, in der es keine Gesundheitsreform gegeben hat. Ich glaube, das gilt auch für die Zukunft.

Der nächste Streit droht bei der Wehrpflicht. Was spricht dagegen, sie aus Kostengründen abzuschaffen?

Die CSU war, ist und bleibt die Partei der Bundeswehr. Wir haben deshalb auch eine besondere Verantwortung gegenüber der Wehrpflicht. Es darf keine reine Haushaltsfrage sein, ob die Wehrpflicht in Deutschland erhalten bleibt oder nicht. Sondern entscheidend ist die Frage, wie unsere Bundeswehr aussehen soll.

Es war aber der CSU-Verteidigungsminister, der sich für die Abschaffung starkgemacht hat. Ist er damit zu weit gegangen?

Karl-Theodor zu Guttenberg will im Herbst mehrere Modelle für eine Reform der Bundeswehr vorstellen. Dafür bekommt er volle Unterstützung. Am Ende wird es ein schlüssiges Gesamtkonzept geben.

Ein letztes schwieriges Thema: Die Justizministerin will die nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen. Wird die CSU da mitgehen?

Der von Frau Leutheusser-Schnarrenberger vorgelegte Gesetzentwurf wird so nicht Gesetz werden. Wenn die Neuregelung nach ihrer eigenen Aussage dazu führt, dass damit dutzende Straftäter freigelassen werden, die bisher wegen ihrer fortbestehenden Gefährlichkeit hinter Schloss und Riegel saßen, dann kann da etwas nicht stimmen. Die Justizministerin muss diese Sicherheitslücke in ihrem Gesetz umgehend schließen. Es darf nicht dazu kommen, dass tickende Zeitbomben auf die Gesellschaft losgelassen werden. Für uns geht Opferschutz vor Täterschutz.

Das Interview führten Cordula Eubel und Rainer Woratschka. Foto: dpa

OBERBAYER

Im Februar 2009 machte CSU-Chef Horst Seehofer Alexander Dobrindt zum Generalsekretär der Partei. Er folgte Karl-Theodor zu Guttenberg, der damals ins Bundeskabinett wechselte. Der 40-jährige CSU-Politiker vertritt seit 2002 im Bundestag den südbayerischen Wahlkreis Weilheim, in dem auch die Zugspitze liegt.

GENERAL

Mit deftigen Schimpfworten sorgt Dobrindt nicht immer nur für Begeisterung bei den Koalitionspartnern im Bund: Nachdem die CSU im Streit um die Gesundheitspolitik von einem FDP-Politiker als „Wildsau“bezeichnet wurde, keilte der CSU-Generalsekretär umgehend zurück: „gesundheitspolitische Gurkentruppe“.

SOZIOLOGE

Nach seinem Studium der Soziologie in München war Dobrindt bis 2005 Geschäftsführer und stiller Gesellschafter einer Maschinenbaufirma. Der CSU-Politiker ist verheiratet und bezeichnet sich als heimatverbunden: Er ist Mitglied im Schützenverein Peißenberg.

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