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In Hamburg musste Olaf Scholz im dortigen Cum-ex-Ausschuss schon aussagen

© picture alliance/dpa/Christian Charisius

Darf die Union den Kanzler vorführen?: Heftiger Juristenstreit um Cum-ex-Ausschuss im Bundestag

CDU und CSU wollen die Hamburger Vorgänge in der Steuerbetrugsaffäre auf die Bundesebene hieven. Die SPD möchte den Untersuchungsauftrag einschränken.

Die Union will den Kanzler vorführen. Die SPD will das – wenn möglich – verhindern. Darum geht es demnächst im Cum-ex-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Den hat die CDU/CSU-Fraktion beantragt. Obwohl es einen solchen Ausschuss auch in der Hamburger Bürgerschaft gibt, will die Union auch im Bundesparlament klären, ob, wie und warum Olaf Scholz sich in der Betrugsaffäre um die Erschleichung von Steuererstattungen im Zusammenhang mit Dividendengeschäften zugunsten der Warburg-Bank eingesetzt hat.

Ziel sind neue Erkenntnisse, warum die Hamburger Finanzbehörde Steuerrückforderungen an die Bank nicht vollzog (weshalb zunächst auch Verjährung drohte) und erst auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums handelte, welche Rolle Scholz als Hamburger Bürgermeister dabei spielte und warum er sich heute an einzelne Vorgänge nicht mehr gut erinnern kann.

Gegen das Minderheitenrecht, solche Ausschüsse einzusetzen, kann und will sich die Ampel-Koalition nicht stemmen. Aber sie möchte bestimmen, wie der Ausschuss läuft. Vor allem die SPD meint, dass ein Großteil der Fragen, welche die Union in ihrem Antrag formuliert hat, über das rechtlich Mögliche in einem solchen Untersuchungsausschuss hinausgeht. Und so liefern sich nun die größte Oppositionsfraktion und (vor allem) die größte Regierungsfraktion ein Gefecht mittels Rechtsgutachten. So zu erleben am Donnerstag im zuständigen Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags.

Im Kern geht es um zwei zusammenhängende Fragen. Die eine ist, ob der Bundestag überhaupt klären darf, was in einem Bundesland vor sich ging, auch wenn es – so der Antrag der Union – um „Anwendung von Bundesrecht“ geht. Die andere ist die, ob ein Untersuchungsausschuss sich für das Verhalten des Kanzlers interessieren darf, bevor er Kanzler war.

Die von der SPD benannten Sachverständigen – die Professoren Christoph Möllers (Berlin), Heiko Sauer (Bonn) und Lars Brocker (Mainz) – sehen den Antrag der Union kritisch und lehnen ihnen als „unzulässig“ (Sauer) und „rechtswidrig“ (Brocker) ab. Zugespitzt lautet ihre Einschätzung, dass Vorgänge in Landesregierungen den Bundestag nur dann etwas angehen, wenn der Untersuchungsauftrag der Kontrolle der Bundesregierung dient – in dem Fall also der Wahrnehmung von Aufsichtsrecht und Aufsichtspflicht gegenüber den Landesfinanzbehörden.

Der Kanzler als Privatmensch

Möllers ist der Ansicht, dass der Kanzler politisch zwar dem Bundestag für seine Amtsführung verantwortlich sei, dass daraus aber kein Untersuchungsrecht des Parlaments „gegenüber der Person des Bundeskanzlers und seiner Vorgeschichte“ in anderen Funktionen oder als Privatmensch folge.

Der Kölner Verfassungsrechtler Christoph Schönberger, von der FDP benannt, sieht es ähnlich – er hält dem Unions-Antrag entgegen, er enthalte „Spurenelemente“ einer Kontrolle der Bundesregierung, um hauptsächlich aber das Kontrollieren von Landesbehörden zu ermöglichen, was verfassungsrechtlich nicht gehe.

Der von der Union benannte Sachverständige Paul Glauben sieht es anders. Er sieht ein umfassendes Recht des Bundestages, bei der Klärung des Verhaltens der Bundesregierung im Hamburger Cum-ex-Fall auch auf der Länderseite nachzubohren. Der Bundestag habe gerade bei den Steuern – hier verwalten die Länder im Auftrag des Bundes – „ein fundamentales Interesse“, dass Landesbehörden ein dem Bund zustehendes Steueraufkommen „nicht verkürzen“.

Die Grünen haben die Gießener Juniorprofessorin Jelena von Achenbach benannt. Sie nimmt eine vermittelnde Position ein. Zwar ist auch aus ihrer Sicht der Untersuchungsausschuss nach dem von der Union formulierten Auftrag nicht berechtigt, Vorgänge im Hamburger Senat und in der dortigen Finanzbehörde zu untersuchen. Er müsse daher anders begründet werden – denn die Untersuchung der Hamburger Vorgänge könne als „Grundlage der Kontrolle der Bundesregierung“ zulässig sein.

Sich mit dem Verhalten von Scholz zu befassen, ist laut Achenbach verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Da das „voramtliche Verhalten“ eines Kanzlers Grundlage des politischen Vertrauens in seine Person sei, „besteht an Erkenntnissen über das frühere Verhalten als Verantwortungsträger im Kontext von potenziellen Missständen innerhalb von Landesregierung und -verwaltung ein politisches Interesse“, schreibt Achenbach. Dessen Legitimität sei nicht zu bezweifeln.

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