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Neuseeland

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Neuseeland: Das Ende am Ende der Welt

Neuseeland steht vor einem Machtwechsel. Die Minderheitsregierung der Labourpartei um Ministerpräsidentin Helen Clark liegt in Umfragen weit hinter der oppositionellen Nationalpartei. Für den künftigen Amtsinhaber gibt enorme Probleme zu lösen.

Wellinton - Bei den Hinterbänklern ist kaum ein Platz frei. Dicht gedrängt sitzen neuseeländische Abgeordnete im Pub The Backbencher in der Hauptstadt Wellington und diskutieren den anstehenden Machtwechsel bei den Parlamentswahlen am 8. November. Gäste sind willkommen, denn das Restaurant gegenüber dem Regierungsgebäude ist nicht nur die heimliche Parlamentskantine, sondern auch ein Touristenmagnet. Die Menükarte spielt mit Politikernamen, und an den Wänden hängen karikierende Gummipuppen der Politgrößen.

Die Minderheitsregierung der Labourpartei um Ministerpräsidentin Helen Clark liegt in Umfragen weit hinter der oppositionellen Nationalpartei. Clarks Regierung wird von der Vereinigten Zukunftspartei toleriert, die dafür im Gegenzug den Ministerposten für Steuern erhalten hatte. Doch vor zwei Wochen kündigte Peter Dunne an, er werde ab jetzt die Konservativen unterstützen.

Die Wirtschaftskrise trifft Neuseeland hart

Da neben der Zunkuftspartei auch die Partei der Ureinwohner Maori, die liberale ACT-Partei und die Grünen ins Parlament einziehen werden, hat Oppositionsführer John Key eine große Auswahl an Regierungspartnern. Der 47-Jährige steht aber auch vor großen Aufgaben.

Die Probleme in dem einstigen Wirtschaftswunderland und viel gerühmten Wohlfahrtsstaat sind gewaltig. Noch steht Neuseeland in einer Rangfolge der Weltbank, wer die besten regulatorischen Rahmenbedingungen für Unternehmen hat, auf Rang zwei hinter Singapur und im Antikorruptionsranking gar auf Platz eins. Doch die Wirtschaftskrise trifft das Land hart. In einer OECD-Studie hat die Kinderarmut zusammen mit Deutschland, Kanada und Tschechien weltweit am stärksten zugenommen. Das vielleicht innovativste Agrarland der Welt – 40 Prozent beträgt der Anteil der Landwirtschaft am Sozialprodukt – leidet wegen der großen Entfernungen zum Weltmarkt stark unter dem Ölpreis.

Erste Haushaltsdefizit seit 14 Jahren

Ein enormes Problem bereitet inzwischen auch die vollständige Privatisierung von Staatsbetrieben in den vergangenen zwei Jahrzehnten. So wurde erst vor wenigen Wochen die Bahn zurückgekauft, weil kaum mehr ein Zug über die verrotteten Gleise durchs Land rollte. Auch die anderen Reformen, die die Sozialdemokraten seit 1984 so radikal angefangen und die Konservativen zwischenzeitlich weitergeführt haben und von allen Seiten als Marktentfesselung gefeiert wurden, werden jetzt wieder hinterfragt. Zwar hat sich Neuseeland von der tradionellen Abhängigkeit von England inzwischen befreit und exportiert neben Schafprodukten, Kiwis, Äpfeln und Butter inzwischen auch Wissen über eine effektive technologische Landwirtschaft, doch das reicht lange nicht.

Labour musste im Oktober das erste Haushaltsdefizit seit 14 Jahren verkünden. Die Immobilien- und Finanzkrise ist auch in Neuseeland angekommen und ist das beherrschende Thema. Doch so groß die Probleme auch sein mögen, der Wahlkampf ist dafür umso blasser. Weder Clark, die seit 1999 regiert, noch Key begeistern das Publikum und die Millionen über das gesamte Land verteilten Wahlplakate sind weitgehend botschaftsfrei. In einem Leitartikel in der überregionalen „Dominion Post“ wird der Wahlkampf als der uninspirierenste seit 1949 bezeichnet.

Ingo Wolff

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