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Lange diskutiert, jetzt einig: Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

© Kay Nietfeld/dpa

Update

„Alles öffnen ist natürlich nicht vorgesehen“: Das ist der Corona-Fahrplan ab 20. März

Lange war debattiert worden, nun liegt der Ampel-Plan für die Corona-Maßnahmen ab 20. März vor. Eine Hintertür für neue Verschärfungen bleibt bestehen.

Zwar steigen die Coronazahlen weiter an, doch die Maßnahmen in Deutschland sollen ab dem 20. März weitgehend fallen, auch Maskenpflichten etwa in Supermärkten und Schulen.

Die Länder bekommen allerdings die von ihnen gewünschte „Hot Spot“-Regelung. Das geht aus einem Entwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Das Bundeskabinett will dem Entwurf noch am Mittwoch zustimmen, damit die Anschlussregelung rechtzeitig zum Auslaufen der bisherigen Infektionsschutzgesetzregelungen am 19. März von Bundestag und Bundesrat gebilligt werden kann.

Lauterbach hatte den Entwurf zusammen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) erarbeitet, der zunächst ab 20. März eine Aufhebung praktisch aller Maßnahmen angestrebt hatte. „Wir haben, glaube ich, einen sehr guten Kompromiss gefunden“, sagte Buschmann am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“.

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Insgesamt hat es in Deutschland bisher mehr als 16 Millionen gemeldete Corona-Infektionen gegeben, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt aktuell – bei nunmehr meist milden Verläufen – bei 1319 Fällen je 100.000 Einwohnern.

Aushang in einem Geschäft in Dortmund (Archivbild vom 19. Februar 2022)
Aushang in einem Geschäft in Dortmund (Archivbild vom 19. Februar 2022)

© dpa/Bernd Thissen

Keine Masken mehr in vielen Bereichen

„Auch nach dem 19. März 2022 sollen die Länder aber weiterhin befugt sein, unter anderem folgende Maßnahmen anordnen zu dürfen: Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske oder einer medizinischen Gesichtsmaske und Testpflichten zum Schutz vulnerabler Personen“, heißt es in dem Änderungspaket für das Infektionsschutzgesetz und andere Regelungen.

Das bedeutet: Die Landesregierungen dürfen weiterhin allgemeine Schutzmaßnahmen verordnen, etwa Maskenpflichten in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und im öffentlichen Nahverkehr mit Bussen und Bahnen. Auch Testpflichten in Pflegeheimen und Schulen sollen möglich bleiben.

Aber: Zum Beispiel in Supermärkten und anderswo könnte die Maske ab 20. März komplett wegfallen. Auch in Schulen - denn diese Bereiche werden bei den von den Landesregierungen zu verhängenden weiterhin allgemein gültigen Schutzmaßnahmen nicht genannt.

Länder bekommen „Hot Spot“-Instrumentenkasten

Lange war über den darüber hinausgehenden Basisschutz nach dem 20. März diskutiert worden, nun ist man sich einig, dass die Länder zusätzlich einen Instrumentenkasten behalten sollen, um auf neuerliche Coronawellen und angespannte Lagen in den Krankenhäusern reagieren zu können. So können Landesparlamente in einer solchen Situation für bestimmte Regionen Maßnahmen beschließen, ein Beschluss nur der Landesregierung reicht nicht aus. Folgende Maßnahmen sind dabei möglich:

  • eine weitergehende Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz), zum Beispiel in Innenräumen oder Supermärkten.
  • die Anordnung eines Abstandsgebots mit einem Abstand von mindestens 1,5 Metern im öffentlichen Raum, insbesondere in öffentlich zugänglichen Innenräumen
  • die Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises in Einrichtungen und Unternehmen sowie in Betrieben, in Einrichtungen oder Angeboten mit Publikumsverkehr – das bedeutet also die Option auf 3G, 2G- oder 2G-Plus-Regelungen am Arbeitsplatz oder zum Beispiel in Bars und Restaurants, wenn sich die Lage verschlechtert.
  • die Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten, das bedeutet auch die mögliche Kapazitätsbegrenzung bei Veranstaltungen und Konzerten.

Um diese Instrumente „scharf“ zu stellen, müssen Landesparlamente die „konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ feststellen. In einer „konkret zu benennenden Gebietskörperschaft“ sollen dann die entsprechenden Maßnahmen befristet erlassen werden können, heißt es.

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Der Kompromiss beruhe auf zwei Säulen, sagte Justizminister Buschmann. Zum einen werde es im Alltagsleben der Bürger „so gut wie keine Einschränkungen mehr geben“, sagte er. Ausnahmen seien Tests dort, wo es viele vulnerable Menschen gebe und Masken etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Die zweite Säule sei die „Hot Spot“-Regelung: In Gebieten mit schwierigem Ausbruchsgeschehen, etwa bei einer Überlastung des Gesundheitssystems oder gefährlichen neuen Virusvarianten, könnten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. „Ich denke, das ist der ideale Kompromiss, um einerseits so viel Normalität wie möglich für die Bürgerinnen und Bürger zu bekommen und andererseits handlungsfähig zu sein, wenn es tatsächlich eine konkrete Gefahrensituation gibt“, sagte Buschmann.

„Alles öffnen ist natürlich nicht vorgesehen“, sagte Lauterbach und betonte damit, dass es weiterhin Vorsicht und bestimmte Schutzregeln brauche.

In Niedersachsen stößt der Entwurf der Bundesregierung auf Kritik: Ministerpräsident Stephan Weil verwies darauf, dass es derzeit wieder Höchststände bei den Coronainfektionen gebe. „Dass ausgerechnet in einer solchen Phase der Instrumentenkasten für die Eindämmung der Pandemie beschränkt werden soll, ist schwer zu verstehen. Man wirft doch den Feuerlöscher nicht weg, wenn es noch brennt“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch.

„Die Länder würden zahlreiche Handlungsmöglichkeiten verlieren, die wir für notwendig halten. Dazu zählt beispielsweise eine allgemeine Maskenpflicht für große Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen.“

Die Infektionslage im Frühling und Sommer werde zwar hoffentlich entspannt sein. Aber wenn sich nichts ändere, wenn insbesondere die Impfquote so bleibe, „dann werden wir im Herbst wieder Probleme kriegen“. Wer heute ein Gesetz mache, sollte auch die Situation in einem halben Jahr mit in die Überlegungen einbeziehen, sagte der niedersächsische Regierungschef.

Regelung gilt vorerst bis zum 23. September

In einer Pressekonferenz am Mittwoch erklärte Karl Lauterbach, dass die Regelung bis zum 23. September gelte, sodass vor Beginn einer potentiellen Herbstwelle in den ersten Sitzungswochen nach dem Sommer ein Nachfolgegesetz beschlossen werden könne. „Ich glaube dass dieses Gesetz die Länder in die Lage bringt Schutzbedürftige besonders zu schützen und hohe Inzidenzen in Schulen in den Griff zu bekommen.“

Mit den Regelungen werde den Forderungen der Ministerpräsidentenkonferenz Rechnung getragen, die Länder könnten sich nun entsprechend auf diese vorbereiten.

Justizminister Marco Buschmann sprach von einer sehr intensiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Karl Lauterbach in den vergangenen vier Tagen, in diesen sei eine Lösung gefunden worden für etwas, das monatelang vorbereitet worden sei.

„In den Nicht-Hotspot-Situationen kehren wir weitestgehend zurück zur Normalität, aber für besondere Gefahrensituationen muss es weiterhin besondere Maßnahmen geben.“

Es seien sehr klare rechtsstaatliche und demokratisch saubere Maßnahmen geschaffen worden, die einerseits einen Handlungsspielraum gäben, sollten die Zahlen weiter steigen, die Gesellschaft andererseits aber auch ein bisschen näher zurück in die Normalität führten.

Starre Mechanismen mit Grenzwerten hält Karl Lauterbach nicht mehr für zielführend. Er erklärte außerdem, dass die Länder die Maßnahmen nicht eigenmächtig verschärfen dürften.

„Das Infektionsschutzgesetz ist eine Kompetenz des Bundes, die Länder können nicht beliebig eigene Maßnahmen `erfinden`, sondern sie sind auf den Rechtsrahmen angewiesen, den wir ihnen zur Verfügung stellen.

Auf ein Einverständnis der Länder seien die Minister nicht angewiesen, „wir hoffen aber auf ihre wohlwollende Zustimmung.“

Die Zunahme der Inzidenz habe man im Blick, betonte Lauterbach. „Ich habe aber die Hoffnung, dass wir diesen Anstieg beherrschen und bremsen können.“ Er sei in engem Kontakt mit England, dort mache man sich weniger Sorgen, aber man müsse die Situation im Auge behalten. „Die Lage wird sehr intensiv von uns beobachtet und ich arbeite auch sehr eng mit unserem Expertenrat zusammen.“

Der zentrale Punkt sei eine Überlastung des Gesundheitssystems, ergänzte Marco Buschmann. „Das haben wir jetzt im Griff, wenn sich die Lage ändert, werden wir das berücksichtigen müssen. Ich erwarte, dass wir die Lage mit diesem Instrumentarium gut beherrschen können.“

Auf die Nachfrage, ob die Gesellschaft jetzt einfach mit dem Virus leben müsse, erklärte Karl Lauterbach, dass dieses keinesfalls das Signal sein solle. „Corona wird keine private Angelegenheit. Das können wir uns gar nicht leisten, weil immer noch zehn Prozent der Menschen über 60 nicht geimpft sind.“

Verantwortungsbewusstes und eigenverantwortliches Handeln werde immer notwendig sein, fügte Buschmann hinzu. „Aber es gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und wir sind sicher, dass das jetzt der richtige Schritt ist.“

Wird es eine Impfpflicht überhaupt geben?

Mit Spannung wird nun erwartet, ob es überhaupt im Bundestag noch eine Mehrheit für die von Lauterbach und Kanzler Olaf Scholz (SPD) angestrebte allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren geben wird.

Österreich hat nun die dort seit Anfang Februar geltende Corona-Impfpflicht für alle Erwachsenen ausgesetzt. Die Impfpflicht sei angesichts der derzeit vorherrschenden Omikron-Variante des Coronavirus nicht verhältnismäßig, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler in Wien.

Mit dem Beschluss zur vorläufigen Suspendierung folgte die Regierung der Empfehlung einer Expertenkommission. Bei der Ansteckung mit der Omikron-Variante kommt es häufiger als bei anderen Virus-Varianten zu lediglich milden Krankheitsverläufen.

Österreich hatte als erstes EU-Land am 6. Februar eine allgemeine Corona-Impfpflicht in Kraft gesetzt. Sie galt für alle ab einem Alter von 18 Jahren. Die Kontrolle der Impfpflicht und die Verhängung von Geldstrafen sollten aber erst ab Mitte März beginnen, was nun hinfällig geworden ist. Der Bundestag berät ab kommende Woche über die unterschiedlichen Entwürfe für die Impfpflicht, bis Ostern soll es eine Entscheidung geben.

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