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Politik: Das teure Comeback

Berlusconi will zurück – Italien zahlt bereits dafür.

Rom - Als sie um die Zeit des Abendessens auseinandergingen, die Großfürsten der Partei, da dachten sie, sie hätten ihren Gründervater überzeugt. Es wäre besser, hatten sie ihm in stundenlanger Diskussion auseinandergesetzt, er, der Hochverdienstvolle, würde seinen Platz räumen und die Wahl eines Nachfolgers zulassen. „Gut, alles klar, morgen machen wir die Sache fertig“, hatte ihnen Silvio Berlusconi noch zugerufen, als sie seinen noblen römischen Palazzo verließen.

Zweieinhalb Stunden später war alles anders. Kurz vor Mitternacht lasen Partei und Welt auf Berlusconis Facebook-Seite einen Wutausbruch. Gereizt durch eine Agenturmeldung, er habe während der Diskussion schmollend gesagt: „Ich kandidiere nicht, weil ihr mich eh nicht wollt“, fegte Berlusconi gleich das gesamte Spiel vom Tisch. „Wahr ist: Ich bin umringt von Forderungen, die Führung der Partei schnellstmöglich wieder zu übernehmen. Das Land steht am Abgrund.“ Seine Truppen im Parlament bekamen Anweisung, sich zu enthalten in den beiden Vertrauensabstimmungen, die Mario Montis Regierung angesetzt hatte. Berlusconi hat damit der vor einem Jahr eingesetzten „Techniker“-Regierung seine Unterstützung entzogen. Seine Fraktion aber ist die größte; wenn sie nicht mitspielt, kann Monti einpacken.

Was da zwischen Mittwochnacht und Freitagmittag passiert ist, war nicht Berlusconis erster Purzelbaum. Am 24. Oktober kündigte er im Fernsehen an, „aus Liebe zu Italien“ kandidiere er nicht wieder. Drei Tage später verurteilte ihn ein Mailänder Gericht wegen Steuerhinterziehung zu vier Jahren Haft – da brannten Berlusconis Sicherungen durch: Er müsse zurück, „um das Land von der Diktatur der Richter“ zu befreien. Ende Oktober konnten ihn seine Leute von einem Frontalangriff auf die Regierung Monti gerade noch abhalten; über das Für und Wider einer Rückkehr Berlusconis spaltete sich die Partei. Jetzt, da er nicht mehr zu bremsen ist, kann er sich vor Anhängern kaum retten. Die Nachrichtenagenturen sehen sich zugeschüttet mit den Mails jener Abgeordneten, die ihren alt-neuen „Presidente“ öffentlichkeitswirksam loben – und auf diese Weise einen sicheren Listenplatz für die Parlamentswahl buchen wollen.

Währenddessen – auch wenn Berlusconi derzeit laut Umfragen keine Chance hat, aber man weiß ja nie – zahlt Italien bereits Millionen für sein politisches Comeback: Die Risikoprämien, die das Land für seine Staatsanleihen bieten muss, steigen nach langer Beruhigung wieder; an der Mailänder Börse sinken die Aktienkurse. Und der 87-jährige Staatspräsident Giorgio Napolitano sieht auch keinen anderen Ausweg mehr: Italien braucht Neuwahlen, so früh wie möglich – wohl Anfang März. Paul Kreiner

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