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ARCHIV - Die Flaggen der 25 Mitgliedsländer der Europäischen Union wehen am 10.06.2004 vor dem Europa-Parlament in Straßburg im Wind. Bei der Europawahl 2009 am 7. Juni sind rund 375 Millionen EU-Bürger in 27 europäischen Ländern zur Wahl aufgerufen. Foto: Rolf Haid dpa (zu dpa-Themenpaket "Europawahl" vom 02.06.2009) +++(c) dpa - Bildfunk+++

© DPA

Stärkung der Europäischen Union: Das unsouveräne Reden vom Verlust der Souveränität

Mehr Europa heißt mehr Einfluss – das sollte man begreifen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

Auf die Vermittlung kommt es an, bei jeder Botschaft. Und keine Botschaft ist heute für die Europäische Union existenzieller als die Botschaft, die über sie selbst vermittelt wird: Was ist die EU, was bedeutet sie, wem nutzt sie?

Dabei ist immer wieder die Rede vom angeblich erforderlichen „Aufgeben“, „Beschneiden“ oder „Abgeben“ nationaler Souveränität. Dazu müsse man teilweise bereit sein. Diese Rede suggeriert, dass Opfer gebracht werden müssten, und wer so formuliert, weckt unweigerlich Ängste und Unbehagen. „Souveränität soll ich abgeben? Das wäre ja noch schöner!“ Mit politischen Ohren gehört bedeutet Souveränität staatliche Selbstbestimmung. Mit Alltagsohren gehört bezieht sich „souverän“ darauf, dass einer den Überblick hat, selbstbestimmt denkt und handelt – im Kontrast zum unmündigen Kind.

Pure Souveränität gibt es nirgends und hat es nie gegeben.

Wo immer EU-Vertreter mit Worten wie „Aufgeben“ und „Abgeben“ hantieren, sabotieren sie ohne Sinn und ohne Not das derzeit wichtigste demokratische Projekt. Denn die EU bringt allen Mitgliedern mehr: mehr Märkte, mehr Möglichkeiten, mehr Gestaltungsraum. Politisch gilt es darüber Klarheit herzustellen, dass es pure Souveränität, wie sie der Märchenkönig mit Thron und Krone besitzt, nirgends gibt und nie gegeben hat. Überall waren Nachbarn, immer. Überall gab es Handel und war man aufeinander angewiesen. Und nicht einmal das autokratischste System kann alle komplett kontrollieren, die sich auf dem Staatsgebiet und an dessen Rändern bewegen.

Das weltweit mächtigste, souveränste aller demokratischen Systeme der Moderne besitzen die Vereinigten Staaten. Im Plural ihres Namens transportieren die USA ihre historische Entstehung weiter: Mehrere kleine Staaten bilden gemeinsam einen großen Staat. In der Flagge der USA ist der symbolische Bericht über diesen geglückten Prozess täglich zu lesen. Sieben und rote und sechs weiße Streifen repräsentieren die Gründungsstaaten von 1776, die Sterne im blauen Feld stehen für die Anzahl der heutigen Bundesstaaten. So erzählen sich die Vereinigten Staaten ohne Unterlass ihre starke Geschichte, die auch eine Episode mit Donald Trump überstehen wird.

Trumps erratisch experimentelle Präsidentschaft bietet allerdings Europa im Moment strategisch einen Riesenvorteil. Noch nie konnte klarer vermittelt werden, welche Stärke und wie viel Schutz in einem einigen Europa liegen. Es ist genau der Moment, um klarzumachen, was die Europäische Union jetzt braucht: „Europe first!“ Europa zuerst – nicht als Aussage oder Ansage gegenüber dem Rest der Welt, sondern als Aufforderung an uns selber, uns Europäer in unseren Staaten von Schweden bis Portugal, und selbstverständlich vor allem in Frankreich und Deutschland, den größten Ländern der Union, die am meisten profitieren. Für alle Europäer muss Europa das Projekt erster Priorität werden. Nur die Einigkeit der Union stärkt unsere Demokratien auf die Weise, wie das schon jetzt – neben China, Amerika, Indien, Brasilien – erforderlich ist und noch viel nötiger sein wird. Sinngemäß antizipiert die EU mit ihrem Sternenbanner eine Idee der Vereinigten Staaten von Europa. Aber auch als aktueller Staatenverbund hat das Brüsseler Projekt bereits das Potenzial einer global weitaus wirkmächtigeren, konkurrenzfähigeren Kraft.

Die EU bedeutet für den Einzelnen mehr Souveränität, nicht weniger.

Europa als Staatenverbund ergibt nicht weniger Souveränität, sondern mehr. Eine starke Europäische Union kann Mega-Souveränität erreichen, sie kann im besten Sinn ein ganzes demokratisches Imperium repräsentieren. Jede Bürgerin, jeder Bürger, der Teil davon ist, hat mehr Sicherheit als je zuvor. Ein Land lässt sich besser schützen als ein Schrebergarten, ein Zusammenschluss von Ländern besser als ein Land, das alleine dasteht.

Das muss klar vermittelt werden, wenn es um die EU geht. Die EU ist mehr als ein mächtiger, mehrsprachiger Marktplatz, mehr als ein prosperierender Binnenmarkt. Hier entstehen die Chancen für das Entwickeln gemeinsamer sozialer und wirtschaftlicher Standards. Einen blauen Pass der EU zu halten, bedeutet für jedes einzelne Individuum auf dem Kontinent nicht weniger, sondern mehr Souveränität. Wenn ich in der EU wählen darf, reicht meine Stimme weiter und hat mehr Bedeutung. In diesem Europa ist mein Freiraum größer, mein Handlungsspielraum umfangreicher, und zu meiner Verteidigung stehen enorm viel mehr andere bereit als in einem Einzelstaat. Es geht um einen Raum, der stark ist und überreich ist an Ertrag, für alle.

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