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Politik: Das Volk soll entscheiden

Frankreichs Finanzminister Sarkozy hat sich für ein Referendum zum EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen – weil er Europas Verfassung retten will

Die Idee drängt sich geradezu auf. Wenn die Europäer in Volksabstimmungen über die künftige Verfassung der Europäischen Union abstimmen sollen, dann ist es nur logisch, dass sie auch zu einer anderen Weichenstellung direkt befragt werden: Dem Beitritt der Türkei. Nun hat sich Frankreichs Finanzminister Nicolas Sarkozy, der im November aller Voraussicht nach zum Parteichef der regierenden gaullistischen UMP gewählt wird, für ein Referendum über die Aufnahme der Türkei ausgesprochen und die Debatte um eine EU-Mitgliedschaft des Landes auf eine neue Ebene gehoben. 67 Prozent der Franzosen halten wenig davon, die Türkei in den europäischen Klub aufzunehmen, in anderen EU-Staaten sieht es ähnlich aus.

Auch der luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker hält Volksbefragungen zum Türkeibeitritt in der EU für politisch folgerichtig. Er rechnet damit, dass in mindestens zwölf EU-Ländern den Wählern die Entscheidung überlassen wird, ob die Türkei in die EU aufgenommen wird oder nicht. Dass die Türkei an diesen Volksbefragungen scheitern könnte, liegt auf der Hand. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer hat mehrfach auf dieses entscheidende Hindernis am Ende der vermutlich langen Beitrittsverhandlungen mit Ankara hingewiesen.

Die Entscheidung, ob der Türkei ein Datum für den Beginn von Verhandlungen genannt wird, treffen die 25 EU-Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen im Dezember. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac hat bereits Zustimmung signalisiert. Über sein Abstimmungsverhalten wird es in Frankreich auch kein Referendum mehr geben. Wenn die Franzosen befragt werden sollen, dann erst am Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei – „in zehn bis 15 Jahren“, heißt es aus der Umgebung von EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen.

Auch im Auswärtigen Amt in Berlin verwies eine Sprecherin am Montag darauf, dass Sarkozy die Franzosen nicht jetzt, sondern erst nach Abschluss der Beitrittsverhandlungen über die Aufnahme der Türkei abstimmen lassen will. Dennoch könnte sein Versprechen, die Wähler zu befragen, weitreichende Konsequenzen für die Zukunft der EU haben. Sarkozy ist bestrebt, die 2005 in Frankreich geplante Volksabstimmung über die EU-Verfassung von der heiklen Debatte um die Türkei abzukoppeln.

Die „Vermengung“ der beiden Reizthemen EU-Verfassung und Türkeibeitritt, so erklärte der gaullistische Politiker, müsse vermieden werden. Die breite Ablehnung eines Türkeibeitritts könnte in der französischen Öffentlichkeit in eine allgemeine Europaskepsis umschlagen, fürchtet Sarkozy. Ein „Nein“ der Franzosen zur europäischen Verfassung, obwohl diese nichts mit dem Türkeibeitritt zu tun hat, wäre dann wohl unvermeidlich. Und was dies für die Zukunft der EU bedeuten würde, möchte man sich in Paris wohl gar nicht erst ausmalen.

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