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Datenerfassung: Sarkozy rudert nach Protesten zurück

Die neue zentrale Datenbank der Polizei sorgt in Frankreich weiter für Wirbel. Millionen Daten von Bürgern sollen gespeichert werden. Kritiker sprechen vom „Horror des Erfassungsstaates“. Der anhaltende Druck auf die Regierung hat Nicolas Sarkozy jetzt zu Zugeständnissen veranlasst.

Angesichts des wachsenden Widerstands gegen die neue zentrale Datenbank der Polizei „Edvige“ hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy seine Regierung zum Rückzug aufgefordert. Nach der Rückkehr von der Kaukasusmission als EU-Ratspräsident verlangte Sarkozy am Dienstagabend von Premierminister Francois Fillon und Innenministerin Michèle Alliot-Marie, rasch Absprachen mit den zuständigen Fachleuten über den „Schutz der Freiheiten“ aufzunehmen, wie es in einer Erklärung des Elysée-Palastes hieß.

Am selben Tag hatten Vertreter von mehreren Bürgerinitiativen, Menschenrechtsgruppen und Gewerkschaften zu einem landesweiten Protesttag am 16.Oktober gegen das Vorhaben zur Erfassung und Speicherung persönlicher Daten von Millionen Bürgern aufgerufen. Auf ihre Initiative gehen ein Dutzend Klagen gegen „Edvige“ zurück. Einem Appell zur Abschaffung der geheimen Datenbank schlossen sich bisher 130 000 Franzosen mit ihrer Unterschrift an.

Mit einem Dekret, das keiner parlamentarischen Beratung bedarf, hatte die Regierung am 1. Juli die rechtlichen Grundlagen für die Gründung des abgekürzt „Edvige“ genannten Systems „Exploitation documentaire et valorisation de l’information générale“ (Dokumentarische Nutzung und Auswertung allgemeiner Informationen) gelegt. Die neue Datenbank soll an die Stelle des Informationssystems des im Frühjahr aufgelösten Inlandsgeheimdienstes Renseignements Généraux treten. Durch das Dekret wurde aber das Feld der Erfassung persönlicher Daten von Bürgern erheblich ausgeweitet. So sollen nun in „Edvige“ die Daten aller Personen zentral gespeichert werden, die ein politisches, religiöses, gewerkschaftliches oder anderes im öffentlichen Leben bedeutendes Amt anstreben oder innehaben. Außer Namen, Adresse, Telefonnummer und Autokennzeichen sollen auch Angaben über die steuerliche Leistung, Krankheiten oder geschlechtliche Neigungen der Personen gespeichert werden. Darüber hinaus sollen auch Jugendliche ab 13 Jahren, „die möglicherweise eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen“, erfasst werden.

Politiker der Opposition und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen sprachen von einem „Horror des Erfassungsstaates“. Der Richterverband Syndicat de la Magistrature warnte vor einem „schweren Angriff“ auf die bürgerlichen Freiheiten. Francois Bayrou, der Chef der kleinen Zentrumspartei MoDem, rief zum „republikanischen Widerstand“ auf.

Innenministerin Alliot-Marie kündigte nach dem Gespräch mit Sarkozy an, dass die Daten von Jugendlichen nach einer Bewährungszeit gelöscht werden könnten. Angaben über Krankheiten und sexuelle Neigungen würden nicht gespeichert. In ein neues Gesetz könnten zudem „Garantien der bürgerlichen Freiheiten“ aufgenommen werden.

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