zum Hauptinhalt
David McAllister.

© dpa

Niedersachsen: David McAllister tritt Wulffs Erbe an

Der neue niedersächsische Ministerpräsident David McAllister steht in der CDU zwischen den Flügeln. Als Nachfolger von Christian Wulff nimmt sich oft die Politik Großbritanniens zum Vorbild.

Der neue Landesvater in Niedersachsen trägt nicht nur einen fremden Namen, er hat auch eine besondere Prägung: Der 39-jährige David McAllister, als Brite in Berlin geboren und am Donnerstag zum neuen Ministerpräsidenten gewählt, hat sich die Politik in Großbritannien oft zum Vorbild genommen. Leidenschaftlicher und schärfer wird dort häufig debattiert, die Gegensätze werden überzeichnet – und man nimmt die Angriffe nicht allzu persönlich. „Britischer Humor, der aus viel Ironie besteht, wird in Deutschland oft nicht verstanden“, sagt der Christdemokrat (der schon als Kind auch die deutsche Staatsbürgerschaft bekam). Jetzt sieht er die Chance, diese Wesenszüge etwas stärker einzuführen in die Politik.

McAllister gilt in der Generation der 40-Jährigen in der CDU schon jetzt als Schwergewicht. Seit 2008 führt er den niedersächsischen CDU-Landesverband und wegen seiner Fähigkeit, Anhänger mit schwungvollen Reden zu begeistern, ist er seit langem ein Liebling der Partei. Während der zurückhaltende, kühl und distanziert wirkende Christian Wulff vor allem den Respekt seiner Landespartei genießt, gereift in vielen Jahren, fliegen dem leidenschaftlichen Streiter McAllister eher die Herzen zu. Die präsidiale Art Wulffs ist ihm fremd, er ist direkt und unverblümt, immer eine Spur witzig, und er findet schnell Zugang zu den Menschen. Vor sieben Jahren, als Wulff Ministerpräsident wurde, stieg McAllister zum Vorsitzenden der Landtagsfraktion auf. Bald schon war klar, dass er die Nummer zwei in der Niedersachsen-CDU ist. Als Wulff nach der Landtagswahl 2008 den CDU-Landesvorsitz an McAllister abgab, werteten das manche Beobachter als ersten Schritt des Rückzugs von Wulff aus der Landespolitik. Damals war längst klar, wer den Regierungschef einmal würde beerben können: niemand anderes als McAllister.

Dabei verkörpert der Jurist, trotz großer Unterschiede im Typ, keine anderen Inhalte. Sieben Jahre lang war die CDU-Landtagsfraktion unter McAllister treu an der Seite Wulffs geblieben, selbst in schwierigen Situationen wie zu Beginn des Jahres, als die Mehrheit der Fraktion in der Frage des Landtagsumbaus eine andere Linie vertrat als der Ministerpräsident. Jeder Verlockung, gegen Wulff aufzutrumpfen, widerstand der Fraktionsvorsitzende.

Nach Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten hat er jetzt auch als neuer Ministerpräsident zunächst Kontinuität verkündet. Die Spielräume sind auch nicht sonderlich groß. Zum einen hat Wulff selbst im April, unter Umgehung der Landtagsfraktion, sein halbes Kabinett umgebildet. Damals kamen mit der Deutsch-Türkin Aygül Özkan und mit der Brandenburgerin Johanna Wanka die erste Migrantin und die erste Ostdeutsche in ein westdeutsches Landeskabinett. So stark Wulffs Entscheidung damals gelobt wurde, so sehr verursachte sie in der CDU-Landtagsfraktion Irritationen – denn mehrere Abgeordnete halten sich für ministrabel, sind aber nicht gefragt worden. Da die neuen Minister noch keine hundert Tage im Amt sind und die alten zu den Schwergewichten zählen, bleibt McAllister zunächst nur ein Weitermachen mit Wulffs bisherigem Kabinett.

Der andere Sachzwang entsteht durch die angespannte Haushaltslage. Eigentlich wollte die Landesregierung schon Mitte Juni festlegen, wie die gewaltige Summe von 1,3 Milliarden Euro aus dem Etat für 2011 herausgestrichen wird. Doch die Klausurtagung wurde verschoben mit Rücksicht auf Wulffs Kandidatur für das Bundespräsidentenamt. Damit bleibt McAllister die Aufgabe vorbehalten, kräftige Kürzungen in vielen Etats, etwa für Bildung, öffentliche Bauten und Wirtschaftsförderung, gegen heftige Kritik zu verteidigen. Dies steht ihm im August bevor.

Doch McAllister hat eine Leidenschaft für landespolitische Details, die in den vergangenen Jahren sogar so ausgeprägt war, dass ihn bundespolitische Verwicklungen nicht sonderlich bewegten. 2004 hatte ihn Angela Merkel zum neuen CDU-Generalsekretär berufen wollen, doch der Niedersachse lehnte ab – hatte er doch damals schon gemerkt, dass die Position eines Generalsekretärs ohne Bundestagsmandat äußerst schwach ausfallen musste. In Hannover werden jetzt vom Ministerpräsidenten, der an der Spitze der CDU-Landtagsfraktion vom bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführer Björn Thümler ersetzt wird, Impulse erwartet. Dies gilt für die Verwaltungsreform oder auch die Schulpolitik, seit jeher ein ideologisches Kampfgebiet. McAllister ist als Pragmatiker bekannt. „Warum mit dem Kopf durch die Wand, wenn zwei Meter daneben eine Tür ist“, lautet einer seiner Sprüche.

Seit sein Vater vor bald 30 Jahren von der britischen Armee pensioniert wurde und nach Bad Bederkesa zog, lebt McAllister in dem kleinenOrt im Kreis Cuxhaven. Der Junge brauchte nicht lange, um im Dorfleben integriert zu sein, er wurde später Schützenkönig, Ratsherr und Bürgermeister. Dieses Bodenständige und Ländliche will sich McAllister auf jeden Fall erhalten. Seine Familie bleibe in Bad Bederkesa, betont er.

Im Unterschied zum eher städtisch geprägten Katholiken Wulff aus Osnabrück vertritt der ländliche Protestant McAllister einen anderen Flügel der Union. Früher wurde der Stadt-Land-Gegensatz auch als Links-Rechts-Kontrast beschrieben. Die Großstädter waren eher liberal, die Ländlichen eher konservativ. Aber McAllister hat in den vergangenen Jahren Versuche, ihn in die rechte Ecke zu drängen, zurückgewiesen. Als Stefan Mappus noch nicht Ministerpräsident von Baden-Württemberg war, wollte er McAllister für einen Kreis rechtsstehender CDU-Fraktionschefs gewinnen, damals in Abgrenzung zur betont modernen Familienpolitik von Ursula von der Leyen. Doch McAllister wies das Ansinnen zurück.

Es gibt viele Fragen, in denen McAllister eine betont moderne Ausrichtung der CDU-Politik unterstützt – etwa die Stärkung alleinerziehender Mütter oder bessere Angebote für die Berufstätigkeit von beiden Elternteilen. Auch die Migration ist ihm, dem gebürtigen Briten, ein großes Anliegen. Noch vor der Berufung von Özkan zur neuen Sozialministerin war es McAllister, der einen Facharbeitskreis „Migranten in der CDU“ einrichtete und die Kontakte zu türkischen Organisationen verstärkte. Auch in der Atompolitik, die in Niedersachsen vor allem beim Thema Gorleben CDU und Grüne trennt, steht der neue Ministerpräsident für einen pragmatischen Kurs.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false