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Politik: Demokratie ist Luxus

Danke, altes Europa: Der schwedische Krimi-Autor Mankell trifft auf Schröder

Vor dem Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD in Berlin-Kreuzberg, kleben blaue und rote Europa-Plakate, auf denen steht „Friedensmacht“ oder „Zukunftsgerecht“. Und kleiner darunter „Neue Stärke. SPD“. Nichts macht so müde wie Parteienwerbung. Und was ist eigentlich „zukunftsgerecht“? Vor allem ein hässliches Wort. Ist das nicht schon genug Politik für einen Tag?

Gegenüber im Hebbel-Theater will Gerhard Schröder mit Henning Mankell am Samstag über „Europas globale Verantwortung“ reden. Der schwedische Bestseller-Autor mit dem deutschen Auf-der-Kippe-Kanzler. Beide sind ungefähr gleich alt. Beide sind überzeugte Sozialdemokraten, nur dass Mankell „in der Krise“ lieber Sozialdemokrat außerhalb der Sozialdemokratie ist. Auch weil diese gerade die Solidarität verrät. Schröder schaut mit leisem Zweifel auf den Autor. Hat der das gut! Muss auf keinen Rücksicht nehmen als auf seine eigene Meinung. Und wird trotzdem jede Woche wiedergewählt – auf die ersten drei Plätze der Bestsellerlisten.

Mankell liebt Schröder dafür, dass er sich nicht zum Irak-Krieg überreden ließ. Für diese Liebe liebt Schröder ihn zurück. Das war der Anfang des neuen Europa, findet Mankell. Und wenn er sagt, die Anschläge des 11. September hätten ihn nicht überrascht, weil er immer wusste, dass die Verzweiflung der Welt sich ein Ventil sucht, korrigiert der Kanzler den Autor nur sanft. Die Folter der Amerikaner im Irak hatte Mankell auch nicht überrascht. Die US-Kultur sei sehr gewalttätig, sagt Mankell. Aber ist diese Kultur nicht auch sehr selbstaufklärerisch?, fragt Schröder behutsam zurück. Und er würde ja auch wie Mankell, der einen großen Teil des Jahres in Mosambik lebt, viel mehr Geld für Afrika ausgeben, wenn er könnte. Man kann, wenn man will, sagt Mankell. Kann man nicht, sagt der Kanzler. Nicht in einem Land, wo schon eine Zehn-Euro-Praxisgebühr eine vorrevolutionäre Situation schafft. Aber die tiefste, desillusionierendste Einsicht des Nachmittags stammt von Mankell: Demokratien gehören zu den zivilisatorischen Luxusgütern. Dass nichts scheinheiliger ist, als von den armen Ländern „Lernt Demokratie!“ zu fordern, muss er gar nicht mehr sagen.

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