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Politik: Der Chef von McKinsey-Deutschland spricht über Stress, Reformbereitschaft und Gerhard Schröder

und findet: "Der Staat macht eine Menge, aber er bewegt nicht so viel."Jürgen Kluge (45) ist seit einem Jahr Deutschland-Chef der international renommierten Unternehmensberatung McKinsey & Company.

und findet: "Der Staat macht eine Menge, aber er bewegt nicht so viel."

Jürgen Kluge (45) ist seit einem Jahr Deutschland-Chef der international renommierten Unternehmensberatung McKinsey & Company. Der Physiker studierte in Köln und promovierte in Essen. Vor 15 Jahren begann er bei McKinsey. Mit ihm sprach Jobst-Hinrich Wiskow.

Herr Kluge, McKinsey macht Beschäftigte zu Arbeitslosen.

Das ist doch Schnee von gestern. Wir beraten Unternehmen, ihre Herausforderungen zu meistern. Das heißt: zu wachsen, neue Märkte zu erschließen, neue Arbeit zu schaffen.

Aber brauchen die Firmen dann noch alle ihre Mitarbeiter?

Unsere Untersuchungen zeigen, dass die produktivsten Unternehmen auch die sind, die am meisten Arbeitsplätze schaffen.

Zum Beispiel?

Etwa in der Autoindustrie, die vor Kraft strotzt. Das war vor zehn Jahren ganz anders. Der Rückstand der Deutschen hinter den Japanern bei Produktivität und Kosten lag bei 35 Prozent. Dann kam der Lexus, und die japanischen Autohersteller drangen in die Luxusklasse vor und bedrohten Mercedes-Benz und BMW.

Es sah schlecht aus.

Während Toyota seine Produktivität um sieben Prozent im Jahr erhöhte, schafften die deutschen Anbieter ein Plus von drei bis vier Prozent. Die Autokrise hat die Industrie aufgerüttelt. Sie hat herausgefunden, warum ihre Fahrzeuge so teuer sind. Das Design war nicht modellübergreifend und daher nicht kostenorientiert. Die Prozesse waren veraltet und schlichtweg zu komplex. Bei der Produktivität hat sich das Verhältnis inzwischen umgekehrt. Paradebeispiel Porsche steigert seine Produktivität um zehn bis zwölf Prozent im Jahr. Auch der Absatz wächst - und die Zahl der Beschäftigten.

Das klingt nach Stress.

Es geht darum, Stress gar nicht erst aufkommen zu lassen. Überlegen Sie, wie viel Prozent Ihrer Arbeit wirklich Wert schöpft - und wie viel Arbeit nur einen vorher gemachten Fehler korrigiert. Zum Beispiel, weil man Dinge suchen muss, die nicht geordnet sind. Diese Tätigkeiten sind es, die die Japaner als Muda bezeichnen - als Abfall, ein Begriff für Tätigkeiten, die keinen Wert schöpfen. Es ist nicht so, dass man anschließend angestrengter mit mehr Schweißtropfen arbeitet, ganz im Gegenteil. Da rennt keiner. Gerannt wird nur, wenn irgend etwas schief geht.

Trotzdem gibt es Widerstand gegen Veränderungen.

Oft wird nicht entschlossen genug kommuniziert, dass es sich für die Mitarbeiter lohnt. Deshalb gehört zu einem neuen Konzept immer, die Betroffenen mitzunehmen und zu überzeugen. Es nutzt nichts, als Außenseiter zu wissen, wie es geht.

Ist der Widerstand in Deutschland größer als anderswo?

Deutschland ist ein wohlhabendes Land, also haben Sie mehr Leute mit Besitzständen. Deswegen mangelt es an Dynamik.

Sorgt die große Krise für mehr Dynamik?

Plötzliche Veränderungen werden natürlich besser bemerkt. Das ist wie mit dem Frosch im lauwarmem Wasser. Der springt nicht heraus, weil er stets denkt, er halte es noch aus. Am Ende stirbt er. Wirft man ihn dagegen in heißes Wasser, springt er sofort heraus. Unser heißes Wasser war die deutsche Einheit. Ich finde es schade, dass dieser Umbruch nicht mehr genutzt wurde, um auf der grünen Wiese etwas ganz Neues anzufangen. Wo es gemacht wurde, funktioniert es sehr gut, etwa beim Opelwerk in Eisenach.

Würden Sie sich wünschen, Gerhard Schröder und dem Standort Deutschland mit einem maßgeschneiderten Konzept zu helfen?

Gerne. Aber wir brauchen den Konsens. Der beste Berater ist nichts, wenn er keinen Klienten hat. Sie brauchen einen Klienten, der änderungsfähig und änderungsbereit ist.

Gerhard Schröder gilt als der Genosse der Bosse. Ist er der richtige Kanzler?

Die Mehrheit der Deutschen hat ihn gewählt, deshalb ist er der richtige Bundeskanzler.

Auch im Fall Philipp Holzmann? Da hat er 250 Millionen Mark für ein krisengeschütteltes Unternehmen aus der Staatskasse spendiert.

Das war die Tat eines Pragmatikers.

Haben die Pragmatiker in der Politik zu großes Gewicht?

Die Wähler haben ein gutes Gespür. Jetzt kommt in vielen Parteien eine neue Generation von Politikern. Die ist glaubwürdig - auch darin, dass sie nicht nur bis zum nächsten Wahltermin denkt.

Bewegt der Staat genug?

Der Staat macht eine Menge. Aber er bewegt nicht so viel. Unsere Steuerdiskussion geht immer nur darum, den Kuchen zu verteilen, anstatt einen größeren Kuchen zu backen. Auch der Staat könnte eine Menge auskehren. Das haben wir in Projekten im staatlichen Bereich bewiesen, beispielsweise in der gesamten Stadtverwaltung Ludwigshafen. Deutschland ist mit einer Staatsquote von 50 Prozent auf Dauer weltweit nicht wettbewerbsfähig. Es nutzt nichts, wenn die Unternehmen sich anstrengen und verändern und die Produktivität erhöhen - und dann kommt der Staat und verlangt seinen Anteil. Das drückt den Produktivitätsvorsprung vor der globalen Konkurrenz. Wir müssen eine Staatsquote von 35 Prozent in Angriff nehmen.

Tun die Unternehmen genug?

Die deutschen Firmen sind dynamisch. In Deutschland bewegt sich etwas. Die meisten haben schon umstrukturiert. Jetzt stehen Strategien für Wachstum und Innovation, für Globalisierung und die Eroberung neuer Märkte auf der Tagesordnung.

Mannesmann gilt als bestes Beispiel - vom Stahlkocher zur Telekommunikationsperle.

Deshalb ist es so wertvoll.

Warum schnappen es dann die Briten weg?

Übernahmen passieren. Mir gefällt der chauvinistische Ton in dieser Diskussion um Mannesmann und Vodafone/Airtouch überhaupt nicht. Wir müssen über die richtige Strategie reden. Ist die Strategie von Mannesmann mit Potenzial verknüpft? Sorgt eine Allianz mit Vodafone für noch mehr Wachstum und Arbeitsplätze?

Was meinen Sie?

Ich bin skeptisch, ob die Wachstumserwartungen von Vodafone so eintreten. Aber die Aktionäre haben zu entscheiden.

Herr Kluge[McKinsey macht Beschäftigte zu Ar]

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