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Politik: „Der Gesetzentwurf ist eine Katastrophe“

Affront gegen das Parlament – Einstieg in die Sterbehilfe? Zypries Patientenverfügung wird hart kritisiert

Berlin - Schwerer könnten die Vorwürfe kaum sein, gegen die sich Brigitte Zypries verteidigen muss. Nein, sie betreibe „keinesfalls“ den Einstieg in die aktive Sterbehilfe, versichert die Justizministerin. Nein, ihr Gesetzentwurf stehe auch nicht im Gegensatz zum ärztlichen Gebot des Lebensschutzes. Was sie wolle, sei etwas ganz anderes: bestehende Rechtsunsicherheit beseitigen und die Autonomie der Patienten gegenüber Ärzten stärken.

In dem Streit geht es um so genannte Patientenverfügungen und deren Wirksamkeit. Dass der SPD-Politikerin der Wind derart ins Gesicht weht, hat auch damit zu tun, dass sie die Experten des Bundestags mit ihrem Gesetzentwurf ebenso ignoriert wie brüskiert hat. In einer „Nacht- und Nebelaktion“ und an der Bioethik-Enquetekommission vorbei, sagt die Grünen-Politikerin Christa Nickels, habe Zypries eine Regelung vorgelegt, die Rechtsunsicherheiten vergrößere statt sie zu beseitigen. Zypries’ Parteifreund Wolfgang Wodarg sagt es drastischer: Der Gesetzentwurf der Regierung sei inhaltlich eine Katastrophe, er dürfe in dieser Fassung keinesfalls durchkommen.

Es sind vor allem zwei Punkte, an denen sich die Kritiker reiben. Laut Zypries sollen Willensbekundungen auch dann gelten, „wenn eine Erkrankung noch keinen tödlichen Verlauf genommen hat“. Zudem soll es dafür keine Formvorschrift geben. Damit, so warnt Nickels, werde das Strafrecht „mitgeändert – und zwar dahingehend, dass dann bereits ein mutmaßlicher Wille zur generellen Rechtfertigung für Sterbehilfe durch Unterlassung wird“. Zypries’ Pläne seien angesichts des wachsenden Kostendrucks in Kliniken gefährlich, warnt der SPD-Politiker Wodarg. Ärzte kämen womöglich unter Druck, lebenserhaltende Geräte abzuschalten oder Arznei abzusetzen, um Geld zu sparen. Auch Thomas Rachel (CDU) sieht „Missbrauchsgefahren“, und die Hospiz-Stiftung nennt den Entwurf „grob fahrlässig“. Mündliche Erklärungen könnten falsch verstanden oder wiedergegeben werden.

Zypries räumte offen ein, dass ihre Pläne im Widerspruch zu denen der Kommissionsmitglieder stehen. Ihnen zufolge sollte der Wunsch zum Behandlungsabbruch nur dann befolgt werden, wenn das Leiden „irreversibel ist und trotz medizinischer Behandlung nach ärztlicher Erkenntnis zum Tode führen wird“. So sieht das auch der Klinikärzteverband Marburger Bund, der aber weniger Wert auf die Schriftlichkeit der Verfügung legt.

Es gehe um Leben und Tod, folglich um Gewissensentscheidungen, sagt Nickels. Nach „guter Tradition“ kämen solche Gesetzentwürfe aus der Mitte des Parlaments – „nicht aus einem Ministerium“.

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