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Dem Untergang geweiht. Die paradiesischen Inseln von Kiribati wird es wohl bald nicht mehr geben. Die höchste Stelle der 33 Atolle im Pazifik liegt gerade mal drei Meter über dem Meeresspiegel - und der steigt.

© David Gray/Reuters

Der Klimawandel und seine Folgen: Auf der Flucht vor dem Klima?

Selbst das beste Klimaabkommen der Welt wird manchen Regionen nicht mehr helfen können. Ein Beispiel ist der pazifische Inselstaat Kiribati, der im Meer versinken wird. Als Ausweg bleibt den Bewohnern nur noch die Migration.

Maria Tiimon ist in ihrer Heimat nur noch zu Besuch. Die 38-jährige Sozialarbeiterin aus Kiribati lebt schon seit mehr als zehn Jahren in Australien. Dort wohnt sie mit ihrem Mann, der ebenfalls in Australien arbeitet. Ihr gemeinsames Kind lebt dagegen noch bei den Großeltern auf dem pazifischen Inselstaat mit gerade einmal 110 000 Einwohnern. „Ich möchte, dass er so viel von der kiribatischen Kultur mitbekommt wie irgend möglich“, sagt Maria Tiimon. „Ich bin froh, dass er dort ist. Aber es bricht mir das Herz, nicht mit ihm zusammen zu sein.“

Kiribati hat ein gewaltiges Problem mit dem Klimawandel, an dessen Entstehung der Inselstaat nahezu keinen Anteil hat. Nach Angaben der Weltbank liegt der Kohlendioxid-Ausstoß pro Kopf und Jahr in Kiribati bei knapp 0,6 Tonnen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es gut zehn Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr, in den USA 17 Tonnen.

Kiribatis Probleme sind für Maria Tiimon sehr persönliche Probleme geworden. Der steigende Meeresspiegel setzt den 33 Atollen schon heute zu. Die höchste Stelle liegt drei Meter über dem Meeresspiegel. Zwei Inseln sind schon 1999 überspült worden. Kiribati erhebt sich auf Korallenriffen und Sand. Die Korallen leiden nicht nur unter dem steigenden Meeresspiegel. Sie kommen auch mit den höheren Temperaturen des Pazifischen Ozeans und dem sinkenden pH-Wert, der den Säuregehalt des Wassers anzeigt, nicht zurecht.

Lange vor dem Untergang werden die Inseln unbewohnbar sein

Für die Landwirtschaft ist das eine Katastrophe. Sie war nie besonders erfolgreich auf den Inseln Kiribatis. Aber bei einem Besuch auf ihrer Heimatinsel war Maria Tiimon „geschockt, herauszufinden, dass die meisten Brotfruchtbäume absterben“. Das schrieb sie erschüttert auf der Internetseite der Pacific Calling Partnership, für die sie vier Tage die Woche arbeitet. Der Brotfruchtbaum ist neben der Kokospalme die wichtigste Nahrungspflanze auf den Inseln. Maria Tiimon weist zudem darauf hin, dass der Baum das wichtigste Baumaterial liefert und lokale Medizin. „Er ist nahezu die wichtigste Lebensgrundlage der Menschen in Kiribati“, sagt sie.

Lange bevor diese Inseln ohne große Erhebungen tatsächlich untergehen werden, werden sie unbewohnbar geworden sein. Wasser ist die größte Herausforderung für Kiribati. Meerwasser gibt es im Übermaß. Der Ozean überschwemmt bei jeder Springflut halbe Inseln. Andererseits fehlt das Wasser schmerzlich, nämlich Trinkwasser. Wegen des steigenden Meeresspiegels steigt der Salzgehalt im Trinkwasser. Kaum ein Trinkwasserbrunnen, in den nicht längst Meerwasser eingebrochen ist. Und wenn es dann noch wie im gerade zu Ende gegangenen El-Niño-Jahr viel zu wenig regnet, lässt sich das nicht einmal mehr mit Regenwasser ausgleichen. Mehrfach mussten im vergangenen und in diesem Jahr Schiffe aus Neuseeland Trinkwasser auf die Inseln bringen.

Migration in Würde

Anote Tong, bis März 2016 Präsident von Kiribati, sagte deshalb kurz nach dem Klimagipfel in Paris: „Innerhalb der kommenden fünf Jahre wird die Evakuierung der Inseln beginnen müssen.“ Wer kann, ist längst gegangen, so wie Maria Tiimon. Sie sei 25 Jahre alt gewesen, als sie eine Frau aus Australien kennengelernt habe, berichtet sie. Über diese Bekanntschaft kam sie bei der Nichtregierungsorganisation (NGO) unter, als Outreach Officer der Pacific Calling Partnership des Edmund Rice Centers. Die NGO bringt Bewohner der kleinen Inselstaaten mit NGOs in Australien und Neuseeland zusammen. Maria Tiimon versteht sich als Botschafterin ihres bedrohten Volks.

In diesem Bemühen ist sie nicht allein. Anote Tong, der zwölf Jahre lang als Präsident sein Land auch international vertreten hat, reist weiter als Klimabotschafter durch die Welt. Im September wird er bei einer Konferenz der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sprechen. Schon 2008 hatte er mit seinem Land abgeschlossen. Seither ließ er vor der UN-Generalversammlung oder bei UN-Klimagipfeln keinen Zweifel mehr daran, dass sein Land auch durch das beste Klimaabkommen nicht mehr zu retten sein dürfte. Er warb für ein Konzept der „Migration in Würde“. Und vor allem der selbst bestimmten Migration. Seit 2012 hat er seine Landsleute aufgefordert, Kiribati - und insbesondere die komplett überbevölkerte Hauptinsel Tarawa - zu verlassen. Dort lebt die Hälfte der Bevölkerung Kiribatis, teilweise direkt auf dem einzigen Trinkwasserreservoir der Inseln. Nicht nur das Meer, das die Trinkwasserquelle versalzt, ruiniert die Lebensgrundlage der Menschen in Kiribati. Die Mehrheit der Einwohner verfügt nicht über Toiletten, mit anderen Worten: Sie erleichtern sich vor dem Haus, am Strand oder direkt im Meer. Das Trinkwasser ist auch von Exkrementen verseucht - und von den sich zersetzenden Leichen der Toten, die in der Regel einfach im Vorgarten vergraben werden. Ein Journalist der Nachrichtenagentur Bloomberg, der Kiribati vor drei Jahren besucht hat, beschreibt den Süden Tarawas als den „schönsten und am dichtesten bevölkerten Slum der Welt“.

Seit 1979 unabhängig

Anote Tong hat es als Warner vor dem Klimawandel zu globaler Prominenz gebracht. Aber die Probleme seines Landes sind nicht nur wegen des Klimawandels beachtlich geblieben. 1979 wurde Kiribati unabhängig von Großbritannien. Der Abzug der Briten fiel mit dem Ende des Phosphatabbaus auf einer der Inseln zusammen; die Vorräte waren ausgebeutet. Seit den 1950er Jahren war dort Guano abgebaut worden. Die Briten hatten 1956 einen Staatsfonds mit den Einnahmen aus dem Phosphatabbau gebildet und ihn nach der Unabhängigkeit an die Regierung übergeben. Rund 400 Millionen Dollar liegen im Fonds. Während der Finanzkrise wurde die Hälfte davon zwar vernichtet, weil Kiribati stark in die isländischen Banken investiert hatte, die 2008 zusammenbrachen. Dennoch hat es die Regierung Tong geschafft, für 9,6 Millionen Dollar auf der zweitgrößten Insel der Fidschis, Vanua Levu, 2200 Hektar Land zu kaufen. Dort sollen die gut 100 000 Kiribater angesiedelt werden, wenn die Inseln unbewohnbar geworden sind.

Zuvor hatte Tong vergeblich versucht, Australien und Neuseeland, die wichtigsten Geldgeber des Inselstaates, dazu zu bewegen, seine Landsleute in größerem Stil aufzunehmen als bisher. Bisher gibt es in Neuseeland eine kleine Aufnahmequote für qualifizierte Inselbewohner. Der größte Teil der Bevölkerung sind jedoch Kinder. Und die Alten wollen nicht gehen. Fidschi, etwa drei Flugstunden von Kiribati entfernt, erklärte sich als einziger Staat dazu bereit, die künftigen Klimaflüchtlinge aus Kiribati aufzunehmen.

Berichten, bevor es sinkt

Bis es soweit ist, werden Maria Tiimon und andere Kiribater versuchen, ihrem Land mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Vor wenigen Tagen nutzte der Gewichtheber David Katoatau die Olympischen Spiele in Rio als Bühne für sein Land. Als Fahnenträger machte er mit seinen Tanzbewegungen Furore bei der Eröffnungsfeier. Das YouTube-Video seines Auftritts ist in den sozialen Netzwerken rund um die Welt ein Hit. Der Gewinner der Goldmedaille im Gewichtheben der Gruppe bis zu 105 Kilogramm bei den Commonwealth-Spielen vor zwei Jahren war zwar in Rio nicht ganz so erfolgreich: Er beendete den Wettkampf als Sechster. Doch er verließ die Bühne tanzend und wurde vom Publikum begeistert gefeiert. Katotatu lebt in Neukaledonien. In Kiribati konnte er nur morgens um sechs Uhr am Strand trainieren: Danach wurde der Griff mit den Gewichten zu heiß. Dem britischen „Guardian“ berichtete er von seiner Mission: „Ich will den Menschen von Kiribati berichten, bevor es sinkt.“

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