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Politikwissenschaftlerin und gelernte Journalistin: Ferda Ataman (42).

© Metodi Popow/imago

Update

Designierte Leiterin der Antidiskriminierungsstelle: Migrantenverbände stellen sich hinter Ferda Ataman

Nach der scharfen Kritik melden sich jetzt auch die Unterstützerinnen von Ferda Ataman: Die Vorwürfe gegen sie basierten auf bewussten Fehlinterpretationen.

Nach heftigen Attacken gegen die designierte neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wächst nun das Lager derer, die sich Ferda Ataman auf dieser Stelle ausdrücklich wünschen. Am Freitag haben sich mehr als 20 migrantische Organisationen und Einzelpersonen in einem Offenen Brief für sie ausgesprochen.

Initiiert hat ihn der „Bundeskongress der Migrant:innenorganisationen“ (BKMO). Das Bündnis, das 2017 gegründet wurde, vereint inzwischen nach eigener Aussage mehr als 70 Interessenvertretungen, darunter die einflussreichsten und vertretungsstärksten wie die Türkische Gemeinde, den Polnischen Sozialrat, die Neuen deutschen Organisationen (NdO), den Zentralrat der afrikanischen Gemeinde und das Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen (bbt).

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Unterschrieben haben aber auch Nichtmitglieder wie die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, eine der ältesten afrodeutschen Vertretungen.

Unter den Einzelpersönlichkeiten, die hinter dem Brief stehen, sind auch der Schriftsteller Max Czollek und Meron Mendel, Leiter der Anne-Frank-Bildungsstätte in Frankfurt am Main. Einer der Vorwürfe gegen Ataman lautete, ihre Position zum Antisemitismus sei unklar.

Unterstützer sehen „bewusste Fehlinterpretationen“

Ataman wird in dem Brief als „kompetente und insistierende Besetzung“ gelobt, die mithelfen werde, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu verändern, dessen Reform sich die Ampelkoalition zum Ziel gesetzt hat.

Die 42-jährigen Politikwissenschaftlerin und gelernte Journalistin war seit ihrer Nominierung Mitte Juni Ziel von heftigen Angriffen aus Politik und Sozialen Medien. Besonders ging es dabei um ihre Aussagen zum Begriff „Kartoffel“ für weiße Deutsche, der vielen als Schmähwort und seinerseits diskriminierend gilt.

Daneben warf man ihr vor, sie habe die Heimat-Agenda des früheren Bundesinnenministers Horst Seehofer in die Nähe der Blut-und-Boden-Politik der Nazis gerückt. Die Vorwürfe gegen Ataman, sie spalte und diskriminiere selbst, so die BKMO, seien „haltlos“ und stützten sich auf „bewusste Fehlinterpretationen von Publikationen und Aussagen Atamans“, heißt es im Brief.

Atamans Stellungnahme zu „Blut und Boden" löste heftige Debatte aus

Karen Taylor, Sprecherin des Bündnisses, ergänzte, offensichtlich gebe es in Deutschland „ein Problem mit offener und konstruktiver Kritik“, anders könne man die Anwürfe gegen Ataman nicht verstehen.

Die oft kritisierte Stellungnahme zu „Blut und Boden“, einem Konzept, das älter ist und im Nationalsozialismus dann umgesetzt wurde, stammt aus einem Leitartikel von Ataman für die Zeitung der Amadeu-Antonio-Stiftung vor vier Jahren.

Dort bezog sie sich persönlich positiv auf Heimat („Ich mag den Begriff“) und schrieb: „Die eigentliche Frage aber ist doch: Warum diskutieren wir diese Frage überhaupt? Der Zeitpunkt zeigt: Die Debatte ist keine Reaktion auf die großen gesellschaftlichen Umbrüche“, also Globalisierung, Digitalisierung oder die Umbrüche am Arbeitsmarkt.

„Wir reden erst über Heimatsehnsucht, seit viele Geflüchtete gekommen sind. Politiker, die derzeit über Heimat reden, suchen in der Regel eine Antwort auf die grassierende 'Fremdenangst'.“

In diesem Zusammenhang aber könne „Heimat nur bedeuten, dass es um Blut und Boden geht: Deutschland als Heimat der Menschen, die zuerst hier waren. Und also auch bestimmte Vorrechte haben. Hier wird Heimat zum weniger verpönten Begriff für 'Volk' und 'Nation'. Heimat ist nicht länger hybrid und erwerbbar, sondern ein Code für 'Deutschland den Deutschen'.“

Die Kartoffel: Urdeutsch mit Migrationshintergrund

Die BKMO ist nicht allein in ihrer Unterstützung für Ataman. Auch der Deutsche Frauenrat begrüßte ihre Nominierung. „Wir gratulieren herzlich!“ twitterte der Dachverband der deutschen Frauenorganisationen unmittelbar nach Bekanntwerden der Personalie.

Auch der Lesben- und Schwulenverband LSVD äußerte sich positiv: Man arbeite mit den von Ataman mitgegründeten Neuen deutschen Medienmacher:innen seit vielen Jahren „eng, vertrauensvoll und sehr gut zusammen“.

Die NdM setzen sich aufklärend und mit Mentoring-Programmen seit 14 Jahren dafür ein, Medienredaktionen vielfältiger zu machen und mehr Angehörige von Minderheitengruppen den Weg in den Journalismus zu bahnen.

Seit vier Jahren verleiht er den Negativpreis „Goldene Kartoffel“ für die „unterirdischste Berichterstattung" über die Einwanderungsgesellschaft. Erster Preisträger war der inzwischen geschasste Chefredakteur der Bild-Zeitung, Julian Reichelt.

Die Wahl des Gemüses begründeten die NdM seinerzeit ironisch damit, die Kartoffel sei das deutscheste überhaupt und habe außerdem einen lupenreinen Migrationshintergrund – sie stammt aus Südamerika.

Von den Abgeordneten der Ampel sind bisher nur wenige FDP-Abgeordnete bekannt, die sie nicht wählen wollen. Ataman kann sogar auf mindestens eine Stimme der CDU rechnen.

Der frühere Kanzlerkandidat der Union Armin Laschet, für den sie einst als Redenschreiberin arbeitete, freute sich unmittelbar nach der Nominierung: „Liebe @FerdaAtaman, ich gratuliere Dir aus vollen Herzen zur Berufung als neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. Das hast Du wirklich verdient.“ Jetzt könne sie ihre jahrelange Arbeit in Beruf und Ehrenamt „optimal einsetzen für Vielfalt in unserem Land. Viel Erfolg!“

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