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Politik: Deutsche Industrie will Umwelt weniger schützen

DIHK fordert Priorität für Wirtschaftswachstum, Investitionen und Arbeitsplätze

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Berlin - Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erwartet von einer neuen Bundesregierung einen Kurswechsel in der Umweltpolitik. In einem dem Tagesspiegel vorliegenden Positionspapier, auf das sich der DIHK-Vorstand am Mittwoch verständigte, fordert der Industrieverband, dass „die Fortsetzung einer Vorreiterrolle in der internationalen Umweltpolitik“ nicht mehr Priorität haben sollte. Stattdessen solle auf die „tief greifende Wachstums- und Investitionskrise“ mit weniger Bürokratie und „mehr Raum für Eigeninitiative“ der Wirtschaft reagiert werden.

Künftig müsse „die Wirkung von Umweltpolitik auf Investitionen und Arbeitsplätze systematisch geprüft“ werden, sagte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun dem Tagesspiegel. In den vergangenen Jahren hätten vor allem die Grünen „den an sich positiven Umweltschutzgedanken durch ein Übermaß an Umweltbürokratie ad absurdum geführt“. Im Ergebnis litten die Unternehmen heute unter einer „Überfülle von Umweltvorschriften“ und darunter, „dass Bund und Länder die Vorgaben der EU beinahe regelmäßig zu Lasten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verschärfen“, sagte Braun. Dagegen warnte Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) auf einer Konferenz zum Verhältnis von Ökologie und Beschäftigung in Berlin, „wenn wir uns nicht ökologisch modernisieren, werden wir auf Dauer mehr und nicht weniger Arbeitslose haben“.

Zwar will der DIHK dem Bund bei der Umweltpolitik mehr Kompetenzen zugestehen. Er fordert sogar eine Grundgesetzänderung, um dem Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Umweltrecht zuzuerkennen. Allerdings hätte das keine Stärkung des Umweltministeriums zur Folge. Die Vorschläge des DIHK laufen vielmehr darauf hinaus, das Umweltressort abzuschaffen: Die Kompetenzen des Bundes für erneuerbare Energien und die Reaktorsicherheit sollen aus dem Umweltministerium ins Wirtschaftsressort verlagert werden. Umweltpolitik sei ohnehin überwiegend international oder auf europäischer Ebene zu gestalten, deshalb sei ein „deutscher Sonderweg in der Umweltpolitik, der hohe personelle und finanzielle Kapazitäten erfordert“ weniger denn je angebracht.

In 18 Punkten fordert der DIHK Änderungen in der Umweltpolitik. Dazu gehört eine Beschränkung für das Verbandsklagerecht von Umweltverbänden sowie der Wunsch, in Naturschutzgebieten leichter Genehmigungen für eine wirtschaftliche Nutzung zu erhalten. Auch bei der Klimapolitik will der Verband eine Wende. „Klimaschutz muss bezahlbar sein“, heißt es. Deutschland müsse sein Ziel, bis 2020 die Emissionen von Treibhausgasen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, aufgeben. Stattdessen müsse eine weltweit verbindlichere Klimaschutzpolitik vereinbart werden. Unlängst erst hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gefordert, aus dem Kyoto-Vertrag auszusteigen, von festen Abbauzielen beim Kohlendioxid-Ausstoß wegzukommen und sich wie die USA auf die Realisierung neuer Umwelttechnologien zu konzentrieren. Dazu sagte jetzt der Vorstandschef des Energieversorgers EnBW, Utz Claassen, der BDI solle lieber daran arbeiten, die USA, Australien und China zur Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls zu bewegen. „Die Quartalsgewinne in den nächsten fünf Jahren können nicht wichtiger sein, als das, was ökologisch in den nächsten fünf Millionen Jahren passiert“, sagte Claassen.

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