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Mit dem 3-D-Bild eines Braunkohletagebaus protestieren Umweltschützer vom WWF vor dem Tagungszentrum des Petersberger Klimadialogs für eine Veränderung der Umweltpolitik.

© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Deutsche Klimapolitik: „Klimaschutz ohne Abrissbirne“

Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze will einen gerechten Übergang zu nachhaltiger Wirtschaft.

Die Grundsätze ihrer Klimapolitik hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Montag bei einem internationalen Ministertreffen erklärt. „Wir wollen die Industriegesellschaft umbauen, so dass sie zukunftsfähig ist und trotzdem eine Industriegesellschaft bleibt“, sagte Schulze beim Petersberger Klimadialog. Klimaschutzpolitik solle eben nicht wie eine Abrissbirne wirken, „sondern wie eine Zukunftsversicherung, die Jobs sicherer macht und die Klimajobs schafft“.

Der Petersberger Klimadialog ist ein informelles Treffen, das 2010 nach dem gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen auf deutsche Initiative hin ins Leben gerufen wurde. Es fand erstmals auf dem Bonner Petersberg statt und zog 2011 in die Hauptstadt um. Ziel ist es, Ehrgeiz und Schwung der internationalen Klimapolitik aufrechtzuerhalten. Da es keinerlei Strafen gibt, wenn Staaten zu hohe CO2-Emissionen haben – nicht einmal unter dem Klimaabkommen von Paris – braucht es immer wieder mal Schubser in die richtige Richtung. Auch der Climate Action Summit des kalifornischen Gouverneurs Jerry Brown im September zählt in die Kategorie solcher Motivationstreffen.

Beim Petersberger Klimadialog kommen dieses Jahr 35 Ländervertreter zusammen. Traditionell hat das Land, das die jeweils nächste Klimakonferenz ausrichtet, den Ko-Vorsitz. Diesmal ist es Polen, vertreten durch Energiestaatssekretär Michal Kurtyka.

Zu ihren Vorstellungen von der deutschen Klimapolitik sagte Schulze weiter, ihre Option sei die „just transition“. Das Schlagwort ist international gebräuchlich und heißt wörtlich „gerechter Übergang“. Für Schulze bedeutet es „einen sozial gestalteten Umbau hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft“.

"Wir werden niemanden zurücklassen"

In ihrer Nachhaltigkeitsstrategie für 2030 haben die Vereinten Nationen ein Motto geprägt, das immer noch gelte, sagte Schulze: „Wir werden niemanden zurücklassen.“ Ursprünglich war das auf die Industriestaaten gemünzt, die den globalen Süden nicht zurücklassen sollten. „Ich finde, das Motto muss auch in jedem einzelnen Land gelten“, sagt die Ministerin und versprach: „Wie werden unsere Lebens- und Wirtschaftsweise so gestalten, dass das Weltklima nicht aus den Fugen gerät. Und wir achten aber auch auf die Menschen und das, was ihnen wichtig ist.“

Hier konnte Ministerin Schulze übergangslos zum deutschen Kohleausstieg kommen. „Wir haben uns ganz bewusst für eine Strukturwandelkommission entschieden, die mit allen relevanten Akteuren einen Fahrplan erarbeiten wird, der den Übergang sozial und ökologisch verlässlich gestalten soll.“

Ob Deutschland angesichts des verfehlten Klimaziels für 2020 erwäge, mehr Kohlekraftwerke abzuschalten? Dieser Frage eines Journalisten wich die Ministerin aus. Das Verfehlen des Ziels sei für sie „bitter“, hatte sie vorher gesagt. Schulze bekräftigte, was sie bereits vergangene Woche bei der Vorstellung des Klimaschutzberichts gesagt hatte: Deutschland werde sein Ziel noch weiter verfehlen, als bis angenommen. 2019 aber solle in einem Klimaschutzgesetz festgelegt werden, wie viel Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Verkehr zum Erreichen der Ziele bis 2030 beitragen müssen.

Offenbar soll nicht noch einmal das Gleiche passieren wie mit den Klimazielen für 2020. Um sie zu erreichen, „hätte man schon vor zehn Jahren ambitionierter rangehen müssen“, sagte Schulze. Nun müsse in allen Sektoren, besonders auch im Verkehr, mehr passieren, sagte sie, und meinte damit unter anderem die deutsche Autoindustrie, „die lange und gut vom Verbrennungsmotor gelebt hat“.

Für die Vorbereitung der nächsten Klimakonferenz in Kattowitz werden beim Klimadialog wichtige Vorgespräche geführt. Zwei Themen sollen möglichst gut vorangebracht werden: Die Erhöhung der Klimaziele aller Nationen, die laut Klimaabkommen bis 2020 ansteht. Denn bisher reichen die freiwilligen Zusagen aller Staaten der Erde nur dafür aus, die Erderwärmung auf rund drei Grad zu begrenzen. Und das Regelbuch für die Umsetzung des Klimaabkommens, das sogenannte Kleingedruckte. Dabei geht es vordergründig um technische Fragen: Wie Emissionen gezählt werden und wie die einzelnen Staaten darüber berichten. Aber es gehe auch darum, Vertrauen zu schaffen, sagte Schulze.

EU stellt Langfriststrategie vor

Ob die Klimakonferenz bei der polnischen Präsidentschaft in guten Händen ist? In den jüngsten europäischen Verhandlungen um das Ausbauziel für die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz war die polnische Regierung als Bremser aufgetreten – wie übrigens auch der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Der polnische Umweltminister weiß, was Polen für eine große Aufgabe hat“, sagte Svenja Schulze diplomatisch. Tatsächlich würde wohl auch das Kohleland Polen nur ungern die Schmach erleiden, eine gescheiterte Klimakonferenz verantworten zu müssen.

Bei ihrer Abschlussrede am Dienstag zum Petersberger Klimadialog könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel dann schon fast traditionell eine Aufstockung der Hilfsmittel für die Entwicklungsländer zusagen, damit diese ihre Emissionen mindern und sich an den Klimawandel anpassen können. So hatte Merkel es auch in den vergangenen Jahren gehalten.

„Es wird erwartet, dass Merkel erläutert, wie sie ihr Versprechen zur Verdopplung des deutschen Beitrags zur Klimafinanzierung bis 2020 – bezogen war es auf 2014 – umsetzen wird“, sagte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. Außerdem müsste die Kanzlerin klarstellen, dass Deutschland nicht länger ein ehrgeiziges EU-Ziel für Energieeffizienz im Jahr 2030 blockiert. Eine Einigung darüber war vergangene Woche in Brüssel gescheitert.

Kurz vor der Klimakonferenz wird die EU dann auch ihre neue Langfriststrategie für die Energie- und Klimapolitik vorstellen. Ein höheres Klimaziel für 2030 müsse dabei sein, forderte Bals.

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