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Vor der französischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin wurden im Gedenken an den Anschlag auf das religionskritische französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" Buntstifte niedergelegt.

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Deutschland nach dem Massaker von Paris: Zeichen setzen gegen die Spaltung der Gesellschaft

Nach dem Massaker von Paris warnen Politiker und Muslime in Deutschland vor einer Spaltung der Gesellschaft. Weiterer Zulauf für die Anti-Islam-Bewegung "Pegida" müsse verhindert werden.

Gemeinsam gegen den Hass: Am zweiten Tag nach dem Massaker von Paris haben Politiker und Vertreter der Muslime in Deutschland zu Mahnwachen und Demonstrationen aufgerufen. Die Initiatoren wollen so ein Zeichen gegen Gewalt und Fanatismus setzen und der Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung in Muslime und Nicht-Muslime entgegentreten. Der Anschlag stand auch im Zentrum der Freitagspredigten zahlreicher Imame, die Gewalttaten im Namen des Islam klar verurteilten.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) rief für Montag zu Mahnwachen am Brandenburger Tor auf. „Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft von Extremisten hüben wie drüben auseinandergerissen wird, denn beide haben das Ziel, Hass und Zwietracht zu stiften“, sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek. „Dagegen müssen wir als Muslime und Nichtmuslime in der Mitte der Gesellschaft für die Demokratie zusammenstehen und Gesicht zeigen.“

Mehrere Organisationen von Muslimen und Migranten verurteilten den Angriff auf die Redaktion des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ zudem in einer gemeinsamen Erklärung. „Dass Menschen sterben mussten, dass Menschen und eine gesamte Nation verwundet wurden, kann nicht mit dem Islam oder Religiosität begründet werden“, heißt es in dem Papier, das unter anderem von der türkisch-islamischen Union Ditib sowie dem Islamrat unterzeichnet wurde.

Die Koalition ist über die Reaktion der Muslime erleichtert

In der großen Koalition herrscht Erleichterung über die schnelle und eindeutige Reaktion der Muslime. In Union und SPD gilt dies als wichtige Voraussetzung dafür, weiteren Zulauf für die Anti-Islam-Bewegung „Pegida“ sowie die islam- kritische „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu verhindern.

Gemeinsam gegen Hass. Wie Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), hier am Freitag bei einem Besuch der Sehitlik-Moschee in Berlin, warnen viele Politiker und Initiativen vor Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz.
Gemeinsam gegen Hass. Wie Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), hier am Freitag bei einem Besuch der Sehitlik-Moschee in Berlin, warnen viele Politiker und Initiativen vor Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz.

© dpa

Den Versuchen von „Pegida“ und AfD, aus der Pariser Bluttat Kapital zu schlagen, setzten führende Politiker am Freitag erneut mahnende Worte entgegen. „Das Attentat erschüttert uns, aber nicht unsere Überzeugungen“, sagte Staatsoberhaupt Joachim Gauck. „Für uns ist nicht entscheidend, wie jemand heißt oder wer seine Mutter ist, an welchen Gott er glaubt oder welche Feste er feiert.“ Deutschland lasse sich durch den Hass nicht spalten, versicherte der Bundespräsident.

Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) setzte ein Zeichen und besuchte die Berliner Sehitlik-Moschee. „Wir müssen mehr miteinander reden“, sagte Maas. Dialog sei das beste Mittel gegen Radikalisierung.

Nicht weniger als einen demonstrativen Schulterschluss aller gesellschaftlichen Gruppen fordert SPD-Chef Sigmar Gabriel ein. Neben den im Bundestag vertretenen Parteien sowie der FDP sollen sich unter anderen Religionsgemeinschaften, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Sozialverbände zu einer Großkundgebung in Berlin versammeln. Einen entsprechenden Aufruf hatte der SPD-Chef bereits am Donnerstag an die anderen Parteivorsitzenden verschickt. „Der perfide Plan von Terroristen, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben, darf nicht aufgehen“, heißt es in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die grausamen Taten dürften nicht als Bestätigung von Ressentiments etwa gegenüber Flüchtlingen oder dem Islam missbraucht werden.

Unklar ist, wann die Großdemonstration stattfinden wird

Während Linke, Grüne und FDP ihre Teilnahme bereits gestern zusagten, wollen CDU und CSU erst noch ihre Gremien mit Gabriels Vorstoß befassen. In Koalitionskreisen hieß es allerdings, es sei so gut wie ausgeschlossen, dass die Union sich einer solchen Kundgebung verweigern werde.

Offen blieb am Freitag, wann die Großdemonstration für Demokratie und Toleranz stattfinden wird. In SPD-Kreisen hieß es, eine solche Veranstaltung könne wahrscheinlich nicht bis zum Ende der kommenden Woche organisiert werden. Schon jetzt ist aber klar, dass die bloße Teilnehmer-Zahl über Erfolg und Misserfolg der Kundgebung entscheiden wird. Alle Parteien wissen: Wer ein kraftvolles Zeichen gegen AfD und „Pegida“ setzen will, muss mindestens ebenso viele Menschen auf die Straße bringen, wie die Islam-Kritiker. Am vergangenen Montag vor dem Anschlag in Paris marschierten in Dresden 18 000 „Pegida“-Anhänger auf. Am kommenden Montag, so die Befürchtung in Berlin, könnten es noch mehr sein.

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