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Unter Druck. Die Vorwürfe gegen Bundespräsident Christian Wulff reißen nicht ab.

© dpa

Die Affäre Wulff: Alois Glück: „Die Verunsicherung belastet das Amt“

Der CSU-Politiker Glück über die Affären von Bundespräsident Christian Wulff, dessen Amtsführung und seine Glaubwürdigkeit.

Von Antje Sirleschtov

Herr Glück, ist Bundespräsident Christian Wulff noch ein glaubwürdiges Staatsoberhaupt?

Der Bundespräsident hat einen deutlichen Vertrauensverlust erlitten. Das ist für das Amt des Präsidenten gravierend. Allerdings gibt es bis jetzt niemanden, der behauptet, Christian Wulff habe als Ministerpräsident in Niedersachsen eine Entscheidung getroffen, die von sachfremden Einflüssen wegen seiner Beziehungen zu Unternehmern geprägt war.

Warum vertrauen die Menschen Christian Wulff nicht mehr?

Man kann kritisieren, dass die Nähe zu Vertretern der Wirtschaft zu wenig Distanz des Ministerpräsidenten offenbart hat. Das hat den Eindruck von fehlender Unabhängigkeit genährt. Das Vertrauen der Menschen in den Präsidenten jedoch ist hauptsächlich geschwunden wegen der Art, wie er mit den Vorwürfen gegen ihn umgegangen ist. Beispielhaft dafür war das Fernsehinterview, das der Präsident Anfang Januar gegeben hat und in dem er Details etwa zu den Vorgängen seines Hauskredits erläutert hat. Schon einen Tag später gab es Anlass zu Einsprüchen und Korrekturen. So etwas ist in hohem Maße schädlich.

Glauben Sie Christian Wulff?

Ich glaube ihm im Hinblick auf sein Bemühen, die Sachverhalte so darzustellen, wie sie seiner Meinung nach gewesen sind. Gleichzeitig bleibt irgendwie ein Rest an Verunsicherung. Am lauteren Charakter des Bundespräsidenten habe ich keinen Zweifel.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt, wir hätten faktisch gar keinen Bundespräsidenten mehr, sondern nur noch den Mann, der im Schloss Bellevue residiert. Ist das so?

Wir haben einen Bundespräsidenten, der in diesem Amt schon wichtige Akzente gesetzt hat. Er hat Deutschland in schwierigen Konstellationen, etwa in Polen oder in Israel, ausgezeichnet vertreten. Und er hat einen mutigen Impuls im Hinblick auf die Rolle des Islam und die Integration in Deutschland gegeben und engagiert sich im immer wichtiger werdenden Dialog der Kulturen auch international. Ob es ihm gelingt, seine Möglichkeiten auch in Zukunft auszunutzen und ohne Belastungen aus den Vorgängen der vergangenen Wochen Impulse zu geben, das wird die Zeit zeigen.

Die Causa Wulff hier in Bildern:

Das Landesverfassungsgericht in Niedersachsen wird voraussichtlich prüfen, ob der ehemalige Regierungschef Wulff in Bezug auf den Nord-Süd-Dialog das Parlament falsch unterrichtet hat. Kann ein Politiker Bundespräsident bleiben, wenn er das Parlament belogen und die Verfassung seines Landes missachtet hat?

Ich habe keinen Anlass, darüber zu spekulieren. Aber es ist gut, wenn das Gericht die Zweifel ausräumt.

Kann Wulff die Glaubwürdigkeit zurück- gewinnen, die ein Bundespräsident benötigt, um sein Amt gut ausfüllen zu können?

Die Vorwürfe werden ihn sicher noch eine Weile begleiten. Aber es ist nicht unmöglich, dass er wieder eine souveräne Position zurückgewinnt. Davon wird abhängen, wie seine Zeit als Bundespräsident einmal bewertet werden wird. Ich habe dem Präsidenten keine Ratschläge zu geben. Er muss selbst wissen und entscheiden, ob er auf Dauer das Amt gut ausfüllen kann oder ob er sich gelähmt fühlt. Wenn er sich gelähmt fühlt, müsste er Konsequenzen ziehen. Die Chance zu zeigen, dass er mehr ist, als er im Augenblick scheint, diese Chance sollte er bekommen.

CSU-Politiker Alois Glück
CSU-Politiker Alois Glück

© Kai-Uwe Heinrich

Glaubt man Umfragen, dann wollen immer weniger Menschen dem Präsidenten diese Chance geben. Verstehen Sie das?

Natürlich sind viele Menschen verunsichert und diese Verunsicherung belastet das Amt. Auf der anderen Seite muss sich jeder fragen, welche Maßstäbe an Politiker angelegt werden. Die Diskussion um Christian Wulff hat mittlerweile auch sehr bedenkliche Züge. Neben qualifiziertem kritischen Journalismus habe ich mitunter auch den Eindruck unbarmherziger und inquisitorischer Jagd. Mich beunruhigt, wie über Wochen hinweg jeder kleinste Winkel des Lebens eines Politikers und seiner ganzen Familie mit einem sehr hohen moralischen Anspruch durchleuchtet wird.

Sind die Maßstäbe, die an die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit von Politikern gelegt werden, nicht gerechtfertigt?

Ganz gewiss ist es angemessen, an Politiker in höchsten Staatsämtern hohe Ansprüche der Glaubwürdigkeit zu formulieren. Dann sollte aber auch auf der Seite der Kritiker ein ähnlich hoher selbstkritischer Maßstab für das eigene Tun gelebt werden. Etwa in der Unterscheidung von Gerücht, begründetem Verdacht und Tatsachen.

Alois Glück ist CSU-Politiker und er war Vorsitzender der Landtagsfraktion. Heute ist er Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

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