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Politik: Die amerikanische Mauer

Die USA wollen an der Grenze zu Mexiko einen 1125 Kilometer langen Zaun errichten – Fox-Regierung nennt Vorhaben „schändlich“

Berlin - Die Vereinigten Staaten und Mexiko haben einen Grenzkonflikt. Und der Ton der Auseinandersetzung verschärft sich zunehmend. Der Grund: Ende vergangenen Jahres verabschiedete dass US-Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf, der 2,2 Milliarden Dollar bereitstellt, um einen 1125 Kilometer langen Zaun auf der Grenze zwischen beiden Ländern zu errichten. Bisher existieren Mauern und Überwachungsanlagen nur auf rund 110 Kilometern der 3200 Kilometer langen Grenze, vor allem in städtischen Gegenden wie San Diego/Tijuana oder El Paso/Ciudad Juárez.

Der nun mit 239 gegen 182 Stimmen verabschiedete Entwurf sieht vor, Soldaten zum Grenzschutz heranzuziehen und verstärkt Militärtechnik wie unbemannte Drohnen einzusetzen. Die Befürworter argumentieren, dass die undokumentierte Immigration aus dem Süden drastisch zugenommen habe. Ebenso gelangten immer mehr Drogen über die Grenze. Als weiterer Grund wurde die Terroristenabwehr genannt.

Die Reaktion aus Mexiko ließ nicht auf sich warten. Präsident Vicente Fox nannte das Vorhaben „schändlich“ und kündigte an, die Verabschiedung des Gesetzes im US-Senat mit allen Mitteln zu verhindern. Die Empörung der Fox-Regierung wird verständlich vor dem Hintergrund, dass mexikanische Arbeiter jährlich rund 20 Milliarden Dollar aus den USA an ihre Familien in Mexiko überweisen. Die so genannten „remesas“ sind zu Mexikos wichtigster Einnahmequelle nach dem Erdöl geworden. Darüber hinaus funktioniert die Emigration gen Norden wie ein Ventil, über das der Armutsdruck in Mexiko verringert wird.

Fox’ Rhetorik lenkt zudem davon ab, dass seiner Regierung die Kontrolle über die Grenzregion entglitten ist, die zunehmend von Drogenkartellen beherrscht wird. 2005 wurden in Mexiko mehr als 1500 Menschen im Drogenmilieu ermordet, die Hälfte davon in der Grenzregion. Im einstmals verschlafenen Nuevo Laredo lieferten sich zwei Drogenkartelle einen regelrechten Krieg mit rund 190 Toten, darunter Staatsanwälte und der Polizeichef der Stadt. Die Vorsitzende des Grenzausschusses des mexikanischen Kongress warnte denn auch, der Rechtsstaat breche an der Grenze zusammen.

Dieser Diagnose schlossen sich im Sommer die Gouverneure der US-Staaten New Mexiko und Arizona an. Sie verhängten den Notstand über ihre südlichen Counties. Sie begründeten dies auch mit dem in den Sommermonaten hohen Zustrom undokumentierter Einwanderer. Jedes Jahr versuchen Tausende durch die extrem heißen Wüsten in die USA zu gelangen. Im vergangenen Jahr verdursteten dort mehr als 400 Menschen. Damit war 2005 das tödlichste Jahr seit 1994, als die USA begannen, ihre Grenzstädte massiv aufzurüsten. Die Zahl der Toten seitdem wird auf mindestens 3500 geschätzt.

Für Aufsehen sorgten zuletzt auch bewaffnete Bürgerwehren, die an der Grenze „illegale“ Immigranten jagen. Daneben gibt es aber auch Gruppen, die den in Not geratenen Immigranten helfen. Ginge es nach dem Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses könnte man die Helfer in Zukunft als Menschenschmuggler anklagen. Undokumentierte Immigranten gälten dann als Kriminelle, denen Gefängnisstrafen drohten. Damit wären mit einem Schlag elf Millionen Illegale, die Schätzungen zufolge in den USA leben, von Gefängnisstrafen bedroht. Den Arbeitgebern undokumentierter Einwanderer droht der Gesetzentwurf höhere Geldstrafen an, weswegen die US-Handelskammer bereits heftig protestierte.

Wie der Politologe Peter Andreas in seinem Buch „Border Games“ beschrieben hat, profitiert die US-Gesellschaft von billigen und im Fall der Illegalen auch rechtlosen Arbeitskräften. Auch daher werden dem Entwurf des Repräsentantenhauses geringe Chancen eingeräumt, durch den Senat zu kommen. Die Senatoren John McCain und Edward Kennedy haben bereits einen alternativen Gesetzentwurf vorgeschlagen, der illegalen Immigranten ein Aufenthaltsrecht gewährt, sofern sie einen Job nachweisen können.

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