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Politik: Die erste Enzyklika als Koproduktion

Autor ist Benedikt, Nachfolger Franziskus ergänzte.

Rom - Die sonst so beständige, zweitausend Jahre alte katholische Kirche hat in diesem Jahr schon viele Revolutionen erlebt. Zuerst den ersten freiwilligen Papst- Rücktritt seit Jahrhunderten, dann die Wahl des ersten Nichteuropäers, schließlich die „Kohabitation“ zweier Päpste im Vatikan – nun folgt die erste vierhändig geschriebene Enzyklika der Kirchengeschichte. Das am Freitag vorgestellte apostolische Rundschreiben „Lumen Fidei“ (Licht des Glaubens) trägt zwar nur die Unterschrift des amtierenden Papstes Franziskus, doch es trägt noch deutlich die Handschrift seines emeritierten Vorgängers Benedikt XVI., der es im Rahmen des laufenden Jahres des Glaubens in Angriff genommen hatte, aber wegen seines Rücktritts im Februar nicht mehr abschließen konnte.

Die Gedanken über den Glauben, schreibt Franziskus in der Enzyklika, seien „eine Ergänzung zu dem, was Benedikt XVI. in seinen Enzykliken über die Liebe und die Hoffnung geschrieben hat“. Sein Vorgänger hatte eine erste Fassung zu dem neuen Schreiben schon nahezu fertiggestellt; dafür sei er ihm „zutiefst dankbar“. In „Brüderlichkeit in Christus“ habe er die „wertvolle Arbeit“ übernommen und den Text „durch einige weitere Beiträge ergänzt“.

Bei der Vorstellung der Enzyklika im Vatikan wurde nicht gesagt, wo es sich um Originalton Ratzinger handelt und welches wiederum die Ergänzungen Bergoglios sind. Das war auch nicht nötig, denn die Urheberschaft der einzelnen Textstellen ist in der Regel unschwer erkennbar. Wenn in der Enzyklika beispielsweise über die Technikgläubigkeit der modernen Welt die Rede ist, die als Wahrheit nur noch akzeptiere, was wissenschaftlich belegt ist, dann ist die Handschrift Benedikts nicht zu verkennen: „So bleibt dann nur ein Relativismus, in dem die Frage nach der universalen Wahrheit, die im Grunde auch die Frage nach Gott ist, nicht mehr interessiert.“ Doch auch Franziskus’ „Ergänzungen“ sind unverkennbar – etwa dort, wo von der sozialen Funktion des Glaubens die Rede ist: „Der Glaube hilft uns, Entwicklungsmodelle zu finden, die nicht allein auf Nutzen und Profit gründen, sondern die Schöpfung als Gabe anerkennen, deren Schuldner wir alle sind.“ Aus Bergoglios Feder dürften auch Beispiele stammen, welche die akademischen Ausführungen Benedikts etwas anschaulicher machen sollen.

Die Enzyklika ist aber vor allem auch ein Beleg dafür, wie wenig sich die beiden Päpste in den zentralen Glaubensfragen unterscheiden. So findet sich zum Beispiel eine klare Absage an homosexuelle Partnerschaften: „Der erste Bereich, in dem der Glaube das Gemeinwesen der Menschen erleuchtet, findet sich in der Familie. Vor allem denke ich an die dauerhafte Verbindung von Mann und Frau in der Ehe.“ Diese gehe von der „Annahme des Gutes der geschlechtlichen Verschiedenheit“ hervor. Dominik Straub

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