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Martin Luther ist nicht nur die erfolgreichste Playmobilfigur aller Zeiten: Er ist der Begründer der evangelischen Kirche.

© epd

Die evangelische Kirche macht sich zu klein: Für Corona-Gedenktag verzichtet sie auf Lutherjubiläum mit Ökomenecharakter

Der Bundespräsident hat den 18. April zum Corona-Gedenktag ausgerufen - und schon gehorcht die evangelische Kirche. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es klang mal so: „Hier stehe ich und kann nicht anders.“ Die berühmten Worte von Martin Luther. Und heute? Da heißt es: Hier stehe ich und kann immer auch anders. Gemeint ist die evangelische Kirche.

Der Reformator Luther – ist er nicht bis heute ihr Held? Ist er. Deshalb wollte sie ja auch am 18.April seiner gedenken.

Immerhin ist das der 500. Jahrestag seiner Verteidigungsrede auf dem Reichstag zu Worms. So wurde der vom katholischen Glauben abgefallene Augustinermönch der Begründer der evangelischen Kirche.

Sogar die Katholiken wollten deshalb an diesem Feier-Tag den Protestanten ihre Reverenz erweisen, und zwar mit ihrem höchsten Repräsentanten im Land, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Als Fanal für ein neues Kapitel der Ökumene: Worms lässt grüßen!

Berlin ruft und Worms fällt aus. Einfach so?

Doch daraus wird nun nichts. Denn an dem Tag ist das staatliche Gedenken an die Corona-Opfer, und die Kirchenoberen wollen das nicht versäumen. Sie wollen dabei sein, obwohl sie mehr auch nicht dürfen. Ein Gedenken mit ihnen und ohne ihre Mitwirkung – wann hat es das schon einmal gegeben?

Weil nun aber dieser Gedenkakt in Berlin stattfindet, fällt der in Worms – mit der herausragenden Wegmarke hin zu wirklicher Ökumene – einfach aus. Einfach so.

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Oder vielleicht doch nicht nur einfach so. Wo der junge Luther in Gottes Namen keinem Streit mit den Katholiken auswich, suchte er später immer das Bündnis mit einer anderen Obrigkeit, den Herrschenden. Eine unselige Haltung. Und nicht nur eine von Luther.

Der 18. April steht fest, von staatlicher Seite festgelegt. Die Kirchen hatten nichts mitzureden. Dass an dem Tag neben dem Jubiläum von Worms überall im Land außerdem Firmungen und Konfirmationen stattfinden, muss dahinter zurückstehen.

Denn die Kirchen sagten zu, Rücksicht zu nehmen. Wenn nur der Bundespräsident von Staats wegen doch noch an einem der Tage in Worms vorbeischaut. Der Reichstag dauerte ja mehrere Tage, da kommt es auf den einen nicht an.

In der Kirche empfinden das einige als Demutsgeste vor der staatlichen Obrigkeit - wie damals bei Luther

Oder doch? In der evangelischen Kirche sind nicht alle einverstanden mit dem, was als obrigkeitliche Demutsgeste empfunden wird.

Warum, zum Beispiel, lassen sich der EKD-Ratsvorsitzende und der Chef der katholischen Bischofskonferenz nicht von zwei Ortsbischöfen in Berlin vertreten? Oder warum lassen sie sich, in dieser Corona-Zeit, nicht von Worms aus virtuell dazuschalten? So mutig im Widerspruch will wohl keiner sein.

Der oberste katholische Würdenträger, Bischof Georg Bätzing, kommt nun nicht mehr nach Worms.

Er nimmt zwar an einem ökumenischen Gottesdienst in Berlins Gedächtniskirche teil – aber der Gruß vom Ort der Luther-Worte als machtvolles Signal neu gelebter Ökumene fällt aus. Das Gedenken im Berliner Konzerthaus mit den obersten staatlichen Vertretern geht vor.

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