zum Hauptinhalt
Darf der das? Und was darf er nicht? Die Fragen sollten nicht Entwickler beantworten.

© dpa

Die Welt 4.0: Die gelenkte Digitalisierung oder: Weniger Vertrauen wäre besser

Vor den technischen Entwicklungen sollten die Überlegungen stehen, was man haben will. Und Gesetze. Denn nachträgliches Reglementieren ist schwierig - siehe Facebook-Hasskommentare. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Das Bemühen um eine gesetzliche Regelung für den Umgang mit Hasskommentaren im Internet zeigt, wie schwer es ist, eine Fehlentwicklung im Nachhinein einzufangen und zu korrigieren. Wie viel einfacher wäre der Umgang mit Facebook, Twitter und Co. wohl geworden, wenn vor der Öffnung ihrer virtuellen Reiche handfeste Regelungen für darin geltendes Recht und Unrecht vereinbart gewesen wären? Wenn sich gar nicht erst der Eindruck festgesetzt hätte, im Internet könne man alles sagen, was einem gerade einfällt, und alles dürfe stehen bleiben.

Inzwischen wird – nach Jahren einer weitgehenden Unreguliertheit – im Bereich „digitalisierte Welt“ an Gegenmaßnahmen und Sanktionen getüftelt, aber die alle haben das nicht zu unterschätzende Problem, das sie sich gegen bereits etablierte Gewohnheiten richten; und seien es nur die Gewohnheiten der Internethasskommentatoren, deren Leser und der Plattformanbieter. Gewohnheiten ändern ist nämlich eine höchst mühevolle Angelegenheit, was wohl jeder weiß, der sich mal etwas abgewöhnen wollte. Darum sollte eine Lehre aus diesem Ringen zäher Regulierungsvorhaben lauten: Man darf nicht dem Bereich Technik überlassen, was passiert, und schon gar nicht darauf vertrauen, dass die Masse von Nutzern sich gegenseitig in Schach hält.

Regelungsbedarf überall: beim autonomen Fahren, bei Smart Homes, Robotern

Für die Vergangenheit ist dieser Fehler nicht mehr zu ändern, aber er sollte eine Warnung für die Zukunft sein, in der weitere Lebensraumveränderungen nahen, ohne dass ihre gesetzliche Einhegung klar wäre. Beispiel autonomes Fahren: Bevor nun überall Teststrecken genehmigt werden, sollte gesetzlich mindestens geregelt werden, nach welchen Kriterien die Autopiloten zur Rettung des einen Menschen den anderen über den Haufen fahren dürfen, es sollte geklärt sein, wie die anfallenden Fahrdaten vor Missbrauch geschützt sind, die Haftungsfragen und vieles mehr sollte vorab geregelt werden, um den Soft- und Hardware-Entwicklern den Rahmen vorzugeben, innerhalb dessen sie bleiben müssen. Beispiel Smart Home: Auch hier gilt, dass nicht alles, was technisch möglich sein könnte, auch wünschenswert ist und erlaubt sein sollte. Es braucht Regeln für die Datensicherheit, und man könnte Grenzen für ein maximales Ausmaß an Digitalisierung beschließen. Nicht, dass die smarten Häuser am Ende den Menschen regieren statt umgekehrt.

Und auch die Roboterentwicklung schreitet Tag für Tag voran, ohne dass die rechtlichen und gesetzlichen Rahmen definiert worden wären. Weder, was die große Frage nach Einsatzmöglichkeiten, noch was Detailfragen wie die Besteuerung von Roboterarbeit angeht. Es wäre gut, wenn Politik und Gesellschaft sich schnell einigen, was sie wollen und was nicht. Sonst besteht auch hier das Risiko, dass das technisch Mögliche die Maßstäbe macht. Und wer weiß schon, wem das letztlich nützen würde?

Auch Oppenheimer hat erst entwickelt - und sich dann entsetzt

Die digitalen Techniken haben den Alltag bereits soweit durchdrungen, dass man kaum noch jemanden von der digitalen Revolution reden hört. Ein viel zu ruppiger Begriff für die ganze Smartness, die per Tasten- oder Knopfdruck startet. Und dennoch bleibt es eine Revolution. Eine tiefgreifende Veränderung von allem, deren Ausmaß es zu händeln und gegebenenfalls zu bändigen gilt, bevor Schaden entsteht. Sich abwartend zurückzulehnen und zuzuschauen, was die Technik alles schafft und was daraus wird, wenn es in den Alltag einsickert, wäre nach der Facebook-Twitter-Hasskommentar-Erfahrung wohl fahrlässig. Es wird nicht von alleine gut werden. Das könnte man jetzt gelernt haben. Man hätte es auch schon zuvor gelernt haben können. Man hätte es von der Automobilindustrie lernen können, die statt mit Nachdruck ressourcenschonende E-Mobilität zu entwickeln, lieber SUVs auf den Markt spült, die als zwecklos überdimensionierte Benzin- oder Dieselverbraucher sämtliche Klima- und Umwelterhaltungsüberlegungen verspotten. Man hätte es auch von Robert Oppenheimer lernen können, der die Atombombe erst erfand und dann nach ihrem Einsatz in Nagasaki und Hiroshima verurteilte.

Regelung tut not, auch für das, was noch kommen wird. Und die Menschen von heute sollten schlau und erfahren genug sein, die Konsequenzen ihres Tuns soweit zu überblicken, dass sie Gefahrenstellen erkennen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false